Deutschland ist gut auf den Ausbruch einer weltweiten Grippewelle vorbereitet. Dies behaupten zumindest viele Politiker und Mediziner. Ihr Optimismus beruht auf einem so genannten „Nationalen Pandemieplan“, der nach zähen und langwierigen Verhandlungen im Frühjahr 2005 vom Bund und den 16 Bundesländern beschlossen wurde.
Darin ist geregelt, dass für den Fall einer Influenzaepidemie „eine zur Therapie aller an Influenza Erkrankten ausreichende Menge an antiviralen Arzneimitteln zur Verfügung stehen“ sollte. Im Ernstfall, so der Pandemieplan, ist zudem „die möglichst frühzeitige Verfügbarkeit eines wirksamen Pandemieimpfstoffs vordringlich“.
Ein ausführlicher Maßnahmenkatalog weist im Pandemieplan Bund und Ländern zudem konkrete Aufgaben und Zuständigkeiten zu, wenn es wirklich zum Ausbruch einer gefährlichen Epidemie kommt. Schon jetzt soll beispielsweise jedes Bundesland und jeder Stadt- oder Landkreis einen örtlichen Pandemieplan entwerfen und die bestehenden Katastrophenpläne auf ihre Tauglichkeit bei einer verheerenden Grippewelle hin überprüfen.
Um schnell auf eine akute Bedrohung reagieren zu können, fordert der Notfallplan die Kreise zudem auf geeignet Krankenhäuser auszuwählen, die zur Behandlung von Grippekranken besonders geeignet sind. Alles bestens also? So scheint es zumindest, doch führende Wissenschaftler hierzulande sehen dies durchaus anders.
Massive Kritik von Seuchenexperten
„Der vorliegende Entwurf eines Pandemieplans ist unvollständig, Bund und Länder streiten um Zuständigkeiten und die Finanzierung“, so der Seuchen-Experte Alexander Kekulé, Direktor des Instituts für medizinische Mikrobiologie an der Universität Halle und Berater der Bundesregierung beim nationalen Seuchenschutz bereits im Juni 2005 in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“.
„Nicht einmal die im Ernstfall einsatzbereiten Kliniken stehen fest. Niemand hat Medikamente, Atemmasken und anderes Verbrauchsmaterial eingelagert. Die dringendste Aufgabe jedoch wäre eine Bevorratung mit dem Grippemittel Tamiflu“, so der Wissenschaftler.
Das deutsche Institut für Gesundheitsaufklärung (IFGA) geht sogar noch einen Schritt weiter. Danach verharmlosen einige Politiker die Situation und wiegen die deutsche Öffentlichkeit in einer trügerischen Sicherheit. „In der vom NRW-Ministerium am Ende Juli 2005 veröffentlichten Pressemeldung steht, dass NRW den lebenswichtigen Wirkstoff in einer Menge von 33,4 Millionen Euro für die Bevölkerung bestellt hat. Das ist falsch. Tatsächlich wurde nur für rund 50 Prozent der angekündigten Summe bestellt.“, so die IFGA im August 2005.
Und weiter: „Sollten die verantwortlichen Stellen weiterhin den Kopf in den Sand stecken und auch jetzt nicht den dringend empfohlenen Pandemieplan der Weltgesundheitsbehörde (WHO) umsetzen, droht spätestens im kommenden Jahr die Katastrophe.“
Stand: 28.10.2005