Schon im 2. Jahrhundert nach Christus setzte im Reich der Mitte ein enormer Papier-Boom ein. Bald wurde es dort nicht mehr nur zum Beschreiben verwendet, sondern auch für andere Alltagsprodukte. Dabei waren dem Einfallsreichtum der Chinesen scheinbar kaum Grenzen gesetzt.
Tempos, Toilettenpapier und Geld
Noch während der Han-Dynastie (206 vor Christus bis 220 nach Christus) galt Papier unter Kaisern wie Ān, Shào oder Ling beispielsweise als begehrtes Ausgangsmaterial für Tapeten und sogar für Kleidungsstücke. Und auch die bei uns so beliebten Papiertaschentücher sind keineswegs eine moderne Erfindung von Tempo und Co. – die gab es schon vor knapp 2.000 Jahren im alten China. Zwar waren die Ur-Taschentücher nicht so nasenfreundlich und saugstark wie heute, ihren Zweck erfüllten sie trotzdem.
Ein weiteres „Abfallprodukt“ der Papierherstellung kam dann im 5. Jahrhundert in China in Mode: Klopapier. Mitte des 7. Jahrhunderts gab schließlich Kaiser Gaozong sogar eine Art Papiergeld in Form von „Wertscheinen“ heraus. Der Herrscher war aber nicht in erster Linie von den Vorteilen des neuen Bezahlmaterials überzeugt, sondern verordnete die Einführung angeblich, weil das Kupfer für die Hartgeldherstellung knapp wurde – ein klassischer Fall von akutem Rohstoffmangel in der Tang-Dynastie.
Gefangene als Verräter
Lange Zeit gelang es den Chinesen vorzüglich, das Geheimnis der Papierherstellung für sich zu behalten. Erst im Jahr 751 nach Christus änderte sich dies der Legende nach abrupt. Denn damals kam es zur Schlacht am Talas in der Nähe der heutigen Stadt Taras in Kasachstan. Dort traf die chinesische Armee auf die in Samarkand regierendenden Araber und unterlag.
In arabische Gefangenschaft gerieten dabei angeblich auch zwei Papiermacher aus dem Reich der Mitte, die das Prinzip des Papiermachens an die Sieger verrieten. Schon bald darauf wurde in Samarkand angeblich die erste Papiermühle gegründet und das neue Schreibmaterial eroberte zunächst die islamische Welt und im 12. Jahrhundert dann auch Europa.
So spannend und realistisch diese Geschichte auch klingen mag, unwahr ist sie höchstwahrscheinlich trotzdem. Denn soweit man heute weiß, lebten chinesische Handwerker schon lange vor der Schlacht von Talas in der islamischen Welt und verdienten ihr Geld mit Papiermachen.
2.020 Meter in der Minute
Heute wird Papier nur noch selten handgeschöpft. Diese mühsame und zeitaufwändige Arbeit übernehmen mittlerweile moderne Hochleistungspapiermaschinen, die in der Minute bis zu 2.020 Meter Papier produzieren – bei einer Arbeitsbreite von 8,90 Meter oder mehr. Und auch Maulbeerbaumbast, Lumpen und Fischernetze sind als Ausgangsprodukt für die Papierherstellung längst nicht mehr „up to date“. Sie wurden abgelöst von Zellstoff, Holzstoff, Holzschliff oder Altpapier.
Stand: 15.08.2008