Menschen, die unter Umweltkrankheiten leiden, bekommen wenig Unterstützung. Ihre Krankheit ist – insbesondere in Deutschland – weder gesellschaftlich noch politisch akzeptiert oder aber wissenschaftlich anerkannt. Und diese Nicht-Annerkennung hat Folgen: Umweltkranke finden kaum Berücksichtigung im Verbraucherschutz, auch werden die Kosten für die notwendige „Renaturierung“ ihrer Lebensumwelt nicht erstattet. Ferner haben sie weder Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrenten oder Pflegegeld.
Bislang gibt es in Deutschland nicht einmal eine allgemein anerkannte Definition des Chemikaliensyndroms, klagt Dr. Dieter Eis, Umweltmediziner am Berliner Robert-Koch-Institut, Koordinator eines MCS-Forschungsprojekts. „Als Krankheit ist MCS von der Forschung bis heute nicht bestätigt worden“. Als Hauptgrund sieht er fehlende Forschungsgelder und Diagnoseverfahren. Die Diagnose beruhe häufig nur auf Patientenberichten und Arztbeobachtungen.
In den USA, Kanada und bei der WHO dagegen gilt MCS längst offiziell als Krankheit. Zuvor lange Zeit als Massenhysterie abgetan, wurde sie 1985 in den USA offiziell anerkannt, nachdem die US-Umweltbehörde EPA in ihrem Hauptquartier Teppichböden verlegen ließ und daraufhin über 200 Beschäftigte über Gesundheitsprobleme, dem „Sick-Building-Syndrom“ klagten. Die Anerkennung hat weitreichende Konsequenzen für die Betroffenen. So erhalten MCS-Kranke in den USA oftmals Entschädigungszahlungen und – wie bei anderen Berufskrankheiten auch – Erwerbsunfähigkeitsrenten.
Zudem ist die Krankheit – anders als bei uns – auch gesellschaftlich akzeptiert. Um chemiegeschädigten Personen die Teilnahme am öffentlichen Leben zu ermöglichen, sind die Ansprüche an die Qualität der Innenraumluft enorm gestiegen. Neben dem strikten Durchsetzen raucherfreier Zonen, verbieten einige US-Bundesländer bereits jegliche Verbreitung chemischer Duftstoffe im Bereich öffentlicher Räume und Transportmittel – etwa über Belüftungsanlagen, Klimasystem oder Heizung.
Auch die Produktpalette hat sich geändert. So ist das Angebot von parfümfreier Kosmetika, flammschutzfreien Matratzen, pyrethroid-freien Teppichen mittlerweile selbstverständlich geworden. Neben Restaurants und Hotels werben nun sogar schon Kirchen mit duftstofffreien Gottesdiensten – nur auf Weihrauch müßte noch verzichtet werden, der enthält nämlich besonders giftige Substanzen.
Stand: 21.05.2002