Hypothesen zur Pestresistenz können nicht direkt an lebenden Patienten getestet werden. Mit Pest infizierte Menschen – die Krankheit gibt es weiterhin in Teilen Afrikas, Asiens und Südamerikas – werden heute mit einer effektiven Antibiotikatherapie behandelt und überleben in der Regel die Erkrankung, und zwar unabhängig von Genomkonstellationen.
Forscher analysieren alte DNA
Experimente mit Mausmodellen könnten durch die evolutionäre Distanz der Spezies beeinflusst sein. Auch In-vitro-Untersuchungen an isolierten Zellen erlauben keine definitiven Aussagen zu dieser Resistenzhypothese, da die komplexen körperlichen Reaktionen bei einer Infektion völlig unbeachtet bleiben.
Aus diesem Grund bietet die Analyse alter DNA (aDNA) aus historischen Pestskeletten eine einzigartige Möglichkeit, eine Anfälligkeit nachzuweisen und damit die evolutionären Mechanismen von relevanter Erregerresistenz modellhaft aufzuarbeiten. Wie kann man aber erkennen, dass Menschen in einem historischen Massengrab Pestopfer sind?
Pest hinterlässt keine sichtbaren Spuren an Knochen
Im Gegensatz zu vielen anderen infektiösen Erkrankungen, wie etwa Tuberkulose oder Lepra, hinterlässt die Pest keine sichtbaren Spuren an den Knochen. Die sicherste Möglichkeit, eine Pestinfektion nachzuweisen, ist ein molekulargenetischer Test, der spezifische DNA-Fragmente des Pesterregers von einst aufspüren kann.
In unseren aDNA-Laboren in Mainz konnten wir Yersinia pestis-DNA in drei unserer Pestskelettsammlungen aus dem 14. Jahrhundert nachweisen. Zu unserer Überraschung mussten wir feststellen, dass die Menschen an unterschiedlichen Stämmen von Y. pestis erkrankt waren. Durch einen Vergleich mit modernen Stämmen zeigte sich auch, dass eine dieser Linien heute nicht mehr existiert. Um die andere Linie genau zu bestimmen, sind weitere Analysen erforderlich.
Drei Pandemiewellen – drei biologische Varianten?
Bisher ging man davon aus, dass die Pandemiewellen von drei unterschiedlichen Biovaren, also biologischen Varianten, verursacht wurden: Das Y. pestis-Biovar Antiqua soll die Justinianische Pest (6. bis 8. Jahrhundert), Medievalis den „Schwarzen Tod“ (1346 – 1750) verursacht haben. Und Y. pestis-Orientalis ist der Erreger, der die dritte Pandemie (1894 bis heute) verursachte.
Unsere alten Stämme gehören allerdings weder zu den Biovaren Orientalis oder Medievalis noch zu den anderen so einfach definierten Subgruppen. Deshalb bleibt es ein wichtiges Ziel, diese und andere alte Y. pestis-Linien genauer zu identifizieren, ihre geografische Abstammung zu definieren – und damit die Geschichte der Pest aus molekularer Sicht aufzuklären.
Dr. Barbara Bramanti, Institut für Anthropologie der Universität Mainz / DFG Forschung
Stand: 11.11.2011