Gut ein Zwanzigstel des gesamten global durch Flüsse transportierten Sediments aus Gebirgen, nämlich eine Milliarde Tonnen, bewegt sich jedes Jahr durch den gesamten südamerikanischen Kontinent. Diese Zahl wurde von Wissenschaftlern ermittelt, die über Jahre hinweg die Menge an Schwebstoffen gemessen haben.
Isotopenprobe statt Schwebstoff-Messung
Solche Messungen sind allerdings sehr zeitaufwendig, weil die Schwebstoffe täglich aus dem Wasser gefiltert werden müssen und auch der Wasserabfluss bekannt sein muss. Mittels kosmogener Nuklide kann die Sedimentmenge dagegen mit einer einzigen Probe Flusssediment bestimmt werden, das dem Fluss mittels Greifern entnommen wird.
Die Konzentration des kosmogenen Beryllium-10 im Sediment des Amazonasflusses zeigt, dass fast sämtliches Material aus dem Andengebirge stammt. Nur sehr wenig kommt aus den uralten kratonischen Gebirgen des brasilianischen und des Guyana-Schilds hinzu, denn diese sind im Gegensatz zu den Anden geologisch gesehen schon lange inaktiv. Dementsprechend ist die Konzentration an Beryllium-10 im Sediment der kratonischen Schilde viel höher, weil hier die Erosionsrate viel niedriger ist.
610 Millionen Tonnen Sediment pro Jahr
Diese 10Be-Konzentrationen können nun in Erosionsraten und somit auch in Sedimentmengen für das gesamte Einzugsgebiet des Amazonas umgerechnet werden. Addiert man die Sedimentmengen, die in allen Flusseinzugsgebieten der Anden entstehen, sind dies 610 Millionen Tonnen pro Jahr. Diese Zahl ist ungefähr identisch mit der Menge, die mit Schwebstoffmessungen ermittelt wurde.
Da Schwebstoffmessungen den Sedimenttransport messen, kosmogene Nuklide aber die Sedimentproduktion im Gebirge, zeigt deren Übereinstimmung, dass sämtliches Sediment, welches in den Anden produziert wird, auch in den Atlantik gelangt. Ein Auffangbecken für Sediment ist der Amazonas heute also eher nicht.
Vergleicht man den Beobachtungszeitraum beider Methoden, der nur 20 Jahre für die Schwebstoffmessungen beträgt, aber rund 2.000 Jahre für kosmogene Nuklide, so ist überraschend, dass die Sedimentmengen beider Methoden anscheinend kaum mit Faktoren wie der Änderung der Landnutzung schwanken. Die ähnlichen Resultate dieser völlig unterschiedlichen Methoden zeigen demnach, dass das Amazonasbecken als ein großer „Puffer“ dient, der wegen seiner Größe Änderungen im Sedimenttransport abfedern kann.
Hella Wittmann, Samuel Niedermann, Dirk Scherler/ CC-by-sa 4.0; Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ/ System Erde
Stand: 15.12.2017