Wissenschaftler standen schon in der Vergangenheit immer wieder vor der Frage, warum es bei Tieren, die auf Inseln leben, häufig zu stark verkleinerten Körpergrößen kommt. Normalerweise bedeutet Kleinwüchsigkeit im Tierreich, dass ein einzelnes Individuum einen Gendefekt oder eine Mangelernährung aufweist. Im Fall des Nanismus auf Inseln hingegen spielen andere Faktoren eine Rolle, durch die ganze Populationen eine verminderte Körpergröße haben.
Aber was macht das Leben auf Inseln so anders? Ein Faktor ist die Verfügbarkeit von Nahrung. Auf dem knappen Raum einer Insel entsteht unter den Tieren schnell Konkurrenz um Futter und geeignete Lebensräume. Das gilt nicht nur für Pflanzenfresser, sondern auch für Raubtiere. Sie sind oft die ersten, die aussterben, wenn ihre Beute mangels Nachschub knapp wird. Wer mit weniger auskommt, ist daher im Vorteil. Die wenigen Raubtiere, die auf Inseln überleben, weisen deshalb meist eine reduzierte Körpergröße auf.
Und für viele Pflanzenfresser gilt auf Inseln: Angesichts des Mangels an Fressfeinden stellt sich eine imposante Körpergröße zur Abwehr nicht mehr als evolutiv vorteilhaft heraus – sie ist energetisch zu teuer. Klein sein hingegen entwickelt sich zu einer Anpassung an das geringe Nahrungs- und Wasserangebot. Ein kleinerer Körper benötigt weniger Kalorien, um seinen Stoffwechsel aufrechtzuerhalten. Auf den Inseln setzen sich diese Überlebensvorteile bei der Fortpflanzung durch.
Der Angepassteste überlebt
In der Evolutionstheorie wird dieser von der Umwelt bedingte Trend zu bestimmten Merkmalen als Selektionsdruck bezeichnet. Er sorgt dafür, dass Individuen mit günstigen Merkmalen ihre Gene vermehrt an die nächsten Generationen weitergeben – indem sie überleben und sich erfolgreicher fortpflanzen als ihre Artgenossen. Der Selektionsdruck zur Verzwergung auf Inseln wirkt dabei besonders auf große Tierarten mit hohem Energiebedarf.
So kann beispielsweise eine Mutation, die für Zwergwuchs sorgt, ein Vorteil für das Überleben eines Elefanten auf einer Insel werden. Gibt es auf der Insel nur karge Böden und wenig Pflanzennahrung statt großer Grasflächen wie auf dem Festland, haben Elefanten, die mit weniger oder energieärmerer Kost satt werden, eine größere Chance zu überleben. Folglich kann sich dieser Elefant häufiger fortpflanzen und die Mutation an seine Nachkommen weitergeben.
Da auf Inseln meist wenige Individuen einer Art leben, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die genetische Information des Kleinwuchses weiter verbreitet. Der Zwergwuchs wird so ein Merkmal der dort lebenden Population, begünstigt durch die speziellen Lebensumstände und vor allem durch das mangelnde Nahrungsangebot auf der Insel.