Gewissermaßen in die Fußstapfen des „dreckigen Dutzend“ treten heute andere Chemikalien. Erst vor relativ kurzer Zeit gerieten sogenannte polyfluorierte und perfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) in die Kritik. Die zahlreichen Fluor-Atome dieser Verbindungen geben ihnen ähnliche Eigenschaften wie eine Teflon-Pfanne: Sie sind sowohl wasser- als auch fettabweisend. Beschichtungen aus PFAS sind daher weit verbreitet, sie machen zum Beispiel Outdoor-Jacken wetterfest und Sportschuhe und Gummistiefel schmutzabweisend. In Pizzakartons verhindert eine Schicht aus PFAS, dass der fettige Inhalt durch die Pappschachtel trieft.
Giftig und krebserregend
Die Fluorverbindungen sind deshalb so effektiv, weil sie chemisch äußerst inaktiv sind – unter normalen Umweltbedingungen reagieren sie mit praktisch gar nichts. Diese chemische Stabilität ist aber auch der große Haken, ähnlich wie bei den chlorierten Chemikalien DDT und Co: Sie werden in der Natur kaum abgebaut und reichern sich an. Praktisch überall in der Tierwelt, von arktischen Eisbären bis zu japanischen Aaskrähen, sind PFAS seit den 1990er Jahren in stark gestiegenen Werten nachweisbar.
Ursprünglich galt zwar die Annahme, dass PFAS im menschlichen Körper genauso inaktiv sind und deshalb keinen Schaden anrichten – doch dies erweist sich mehr und mehr als Irrtum. Der bislang wichtigste Vertreter der PFAS, das Perfluoroctansulfonat (PFOS), stellte sich in Tierversuchen als giftig für Säugetiere heraus. Es schädigt die Leber, greift das Immunsystem an und beeinträchtigt die Fortpflanzungsfähigkeit. Außerdem steht es im Verdacht, krebserregend zu sein.
Gesellschaft für das dreckige Dutzend
Wegen dieses Risiko für die Gesundheit und der langen Verweildauer von PFOS in der Umwelt erhielt der Stoff im Jahr 2009 einen Platz auf der erweiterten Liste der Stockholmer Konvention. In diesem Jahr gesellten sich insgesamt neun persistente organische Schadstoffe zum „dreckigen Dutzend“ hinzu, darunter neben PFOS auch das Pestizid Lindan. PFOS und dessen Abkömmlinge sind seitdem nur noch in Ausnahmefällen zugelassen.
Die Hersteller von Outdoor-Jacken und wetterfesten Schuhen wichen darum auf andere PFAS aus. Dabei griffen sie bevorzugt zu kleineren Molekülen: Diese sollten im menschlichen Körper schneller wieder ausgeschieden werden und sich daher nicht anreichern. Eine schädliche Wirkung sei daher nicht zu erwarten.
Problematisch ist jedoch, dass die kleineren PFAS auch als Beschichtungen weniger effektiv sind. Daher müssen sie in größerer Menge eingesetzt werden, die Dosis erhöht sich sozusagen. Und selbst wenn sie nicht so lange im Körper bleiben wie zuvor verwendete Stoffe – in der Umwelt werden auch diese Moleküle kaum abgebaut, die Konzentrationen steigen weiter an. Mit diesen Mitteln behandelte Kleidung dünstet sie zusammen mit anderen Chemikalien wieder aus.
Von Stockholm nach Madrid?
Aus diesem Grund warnten kürzlich über 200 Wissenschaftler in der „Erklärung von Madrid“ vor dem weiteren Einsatz von PFAS. Da auch die kleineren Ersatz-Moleküle dieselbe chemische Grundstruktur besitzen, sehen die Forscher diese keineswegs als harmlose Alternative an – im Gegenteil: Die Eigenschaften dieser Stoffe seien noch nicht im Detail untersucht. Außerdem sind sie auf damit beschichteten Produkten bislang nicht deklariert.
Schlussfolgerung der Erklärung ist daher, die Industrie solle komplett auf PFAS verzichten. Wo die Beschichtungen dennoch bislang verwendet werden, sollten sie zumindest für Verbraucher kenntlich gemacht werden. Stattdessen sollen nicht-fluorierte Ersatzstoffe zum Einsatz kommen. Dazu sei auch eine bessere Zusammenarbeit etwa zwischen Herstellern von Outdoor-Textilien und Forschungseinrichtungen nötig, um fluorfreie Alternativen zu entwickeln.
Ansgar Kretschmer
Stand: 12.06.2015