Ob auf der „Enterprise“ oder anderen Raumschiffen der Science-Fiction: In den Maschinenräumen dieser interstellaren Transporter arbeiten keine Kernreaktoren, Feststoff-Booster oder andere heute gängigen Antriebe. Ihr Treibstoff der Wahl ist Antimaterie – der Stoff aus der „Gegenwelt“.
Warum Antimaterie ein so guter Treibstoff ist
Wie wir heute wissen, existiert für jedes Teilchen unseres physikalischen Standardmodells ein entsprechendes Gegenstück aus Antimaterie. Diese Anti-Teilchen ähneln den „normalen“ Partikeln fast wie Spiegelbilder, aber in bestimmten Merkmalen verhalten sie sich entgegengesetzt, beispielsweise in Ladung und Spin. So sind Positronen, die Gegenstücke zu den Elektronen, positiv geladen.
Trifft nun ein Anti-Teilchen auf seinen normalen Gegenpart, kommt es zu einer Annihilation: Beide Teilchen löschen sich gegenseitig aus und die Materie beider zerstrahlt in fast pure Energie. Wie potent diese Umwandlung von Materie in Energie ist, zeigt Albert Einsteins berühmte Formel E=mc2. Die Annihilation setzt mehr Energie frei als jede andere bekannte Reaktion. Sie produziert zehn Milliarden Mal mehr Schub als ein Raketenantrieb auf Wasserstoff-Sauerstoff-Basis und 300 Mal mehr als ein Kernreaktor.
Das bedeutet auch: Statt tausende Tonnen herkömmlichen Treibstoffs bräuchte man quasi nur einen Fingerhut voll Antimaterie. Um eine kleine, unbemannte Sonde zu unserem Nachbarstern Proxima Centauri zu schicken, wären beispielsweise nur 17 Gramm Antiwasserstoff nötig, wie der US-Physiker Gerald Jackson vor einigen Jahren ausgerechnet hat.
Woher nehmen?
Doch der Wunder-Treibstoff hat seine Tücken. Um ihn in einem Raumschiff einzusetzen, müssen gleich drei große Herausforderungen bewältigt werden: Man muss die Antimaterie in genügender Menge produzieren. Man muss sie aufbewahren, ohne dass sie spontan zerstrahlt. Und schließlich muss man eine Antriebsdüse konstruieren, die die freigesetzte Energie in effektiven Schub umwandelt.
Schon beim ersten Punkt wird es schwierig: Zwar kommt Antimaterie überall im Weltraum vor und entsteht auch in der Erde und sogar in Gewitterwolken und bei Blitzen ständig neu. Doch diese Antimaterie löscht sich fast sofort wieder aus und lässt sich daher zumindest mit heutiger Technik nicht einfangen. Auch für die beim radioaktiven Zerfall produzierten Positronen fehlt bisher eine effektive „Erntetechnik“.
Gezielt produziert wird Antimaterie bisher vor allem in großen Teilchenbeschleunigern. Doch gemessen an dem ungeheuren Energieaufwand ist ihre Ausbeute geradezu mickrig: Die größten Beschleuniger, der Large Hadron Collider (LHC) am CERN und das Fermilab in den USA, produzieren zusammen jährlich nur wenige Nanogramm Antimaterie, meist in Form von Antiprotonen. Rechnet man das hoch, dass könnte die Produktion von nur einem Gramm Antiprotonen mehr als eine Billion US-Dollar kosten. „Das zentrale Problem ist, dass man weitaus mehr Energie für die Erzeugung eines Antiprotons benötigt, als man später durch Annihilation wieder herausbekommt“, erklärt der US-Physiker Lawrence Strauss.
Das Problem der Speicherung
Ist die Antimaterie einmal produziert, kommt das zweite Problem: Wie soll man sie speichern? Um eine unkontrollierte Auslöschung zu verhindern, dürfen die Antiteilchen nicht mit normaler Materie in Kontakt kommen. Bisher wird dies mit speziellen Magnetkäfigen, sogenannten Penningfallen, erreicht. Doch selbst sie halten nur kurze Zeit: Der Rekord – erzielt mit Antiwasserstoff – liegt bei 16 Minuten. Ein so frühes Versagen des „Containments“ wäre jedoch für die Astronauten an Bord eines Sternenschiffs der sichere Tod.
Schließlich bleibt noch das dritte Problem: Die Energie der Annihilation wird in Form tödlicher, in alle Richtungen strahlender Gammastrahlung frei. Um Schiff und Astronauten zu schützen, müsste daher der gesamte „Maschinenraum“ eines Antimaterie-Raumschiffs extrem stark gepanzert werden – was wiederum mehr Gewicht bedeutet. Hinzu kommt: Will man ein Raumschiff antreiben, muss die bei der Annihilation entstehende Strahlung in einen gerichteten Schub umgewandelt werden. Bisher gibt es dazu zwar einige Ideen, getestet und bewährt ist aber keine dieser Technologien.
Nadja Podbregar
Stand: 23.02.2018