Hinzu kommt: Die Kosten und Energie, um die benötigte Menge Antimaterie zu produzieren, wären enorm. Nach Angaben des CERN bräuchte man für ein Gramm Antimaterie etwa 25 Billiarden Kilowattstunden Strom – selbst mit einem extrem günstigen Strompreis wäre das unglaublich teuer. Der britische Physiker Frank Close schätzt, dass die Herstellung von nur einem Gramm Antimaterie mehr als eine Billion US-Dollar kosten könnte.
Das Lager-Problem
Aber gesetzt den Fall, die Menschheit würde irgendwie einen Weg finden, die im Weltraum oder auf der Erde natürlicherweise produzierten Antiteilchen einzufangen? Dann würde direkt die nächste Herausforderung warten: die Speicherung der Antimaterie. Denn um eine unkontrollierte Auslöschung zu verhindern, dürfen die Antiteilchen nicht mit normaler Materie in Kontakt kommen.
Dies lässt sich beispielsweise mit Hilfe spezieller Magnetkäfige wie der sogenannten Penningfalle erreichen. Allerdings: Das klappt bisher maximal 16 Minuten lang – für einen Weltraumflug nicht wirklich lang genug. Und für ein Raumschiff und seine Besatzung wäre es das Todesurteil, wenn die Magnetspeicherung versagt und eine unkontrollierte Annihilation abläuft. Das Schiff könnte explodieren wie eine Bombe.

So könnte ein von Antimaterie getriebenes Raumschiff aussehen. In diesem Falle würden Positronen mit Materrie reagieren udn dies erzeugt über einige Zwischenschritte Schub. © Positronics Research, LL
Bremser am Heck
Das nächste Problem ist die Antriebsdüse. Denn Schub bekommt ein Antimaterie-getriebenes Raumschiff nur dann, wenn die bei der kontrollierten Auslöschung im „Warp-Kern“ entstehenden Teilchen und Strahlung in eine Richtung ausgestoßen werden. Das maximale Tempo des Raumschiffs hängt dabei direkt von der Geschwindigkeit dieses Ausstoßes ab – und für diese ist neben der Annihilation selbst vor allem die Konstruktion der magnetischen Auslassdüse verantwortlich.
Bisher jedoch erwiesen diese sich als echte Bremser: Lässt man Antiprotonen in einem Antrieb mit Protonen reagieren, entstehen dabei geladene Pionen als Antriebsteilchen. Diese rasen den Berechnungen nach mit immerhin 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit aus dem Reaktor des Antimaterie-Raumschiffs heraus. Doch die bisherigen Auslassdüsen-Designs waren so uneffektiv, dass nur noch ein Schub von einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit übrig bleibt.
2012 jedoch haben zwei Physiker neue Berechnungen und Simulationen veröffentlicht, nach denen man Auslassdüsen so konstruieren könnte, dass der Antriebsstrom rund 80 Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreicht. „Relativistische Geschwindigkeiten kommen damit wieder in den Bereich des Möglichen“, meinen Ronan Keane und Wei-Ming Zhang.
Fazit des Ganzen: Antimaterie-Antriebe für Raumschiffe wären theoretisch durchaus machbar. Doch bisher fehlt es dafür noch an so ziemlich allem: an genug Antiteilchen als Treibstoff, an effektiven Speichermöglichkeiten und der Umsetzung einer Technik, die die entstehende Energie effektiv in Schub umwandelt.
Nadja Podbregar
Stand: 06.11.2015
6. November 2015