Der Amazonas in Brasilien, Schweden, das Hochland von Tibet und der Schott el Hodna in Algerien: Vier Regionen auf vier Kontinenten. Jeweils mit Landschaften, wie sie unterschiedlicher kaum sein können. Und dennoch haben sie eines gemeinsam: Sie alle waren zumindest kurzzeitig in der engeren Auswahl möglicher Atlantis-Standorte.
Ins Gespräch gebracht wurden diese und viele andere Regionen von Gelehrten und Wissenschaftlern wie Sir Francis Bacon, den Schweden Olof Rudbeck, den Jesuitenpater Athanasius Kircher oder Otto Muck. Letzterer, ein österreichischer Erfinder und Ingenieur, vermutete, dass Atlantis in Zusammenhang mit einem Meteoriteneinschlag im Atlantik ausgelöscht wurde – und zwar genau am 5. Juni 8.498 vor Christus um 13 Uhr Ortszeit.
Doch wie so viele potenzielle Kandidaten vor und nach ihnen erwiesen sich alle diese Ziele am Ende als wenig vielversprechend. Bei näherem Hinsehen fanden sich dort jedenfalls keine wie auch immer gearteten Relikte des Inselreichs.
Viele unseriöse Atlantis-Theorien
„Ebenso faszinierend wie der Untergang von Atlantis ist der Untergang von Atlantis-Theorien, den man auf Milos vielfach beobachten konnte“, schreibt Axel Bojanowkwski in der Süddeutschen Zeitung. Und er muss es wissen, denn Bojanowkwski hatte die erste internationale Atlantiskonferenz im Jahr 2005 auf Milos, einer kleinen Insel in der griechischen Ägäis, mit Argusaugen verfolgt. Seinen Angaben zufolge wurden dort gleich 48 neue Hypothesen zur Lage von Atlantis vorgestellt und zumeist direkt wieder verworfen.
Ein typisches Beispiel für die vielen unseriösen Atlantis-Theorien stammt aus dem November 2004. Damals verkündete der Architekt und selbst ernannte Hobbyarchäologe Robert Sarmast aus den USA während einer Pressekonferenz auf Zypern euphorisch das endgültige Ende der Suche nach Atlantis. Er habe auf einer Expedition ins Mittelmeer mithilfe eines Sonars den Meeresboden zwischen Zypern und Syrien untersucht und sei dabei unweit der zypriotischen Küste in 1.500 Meter Tiefe auf markante Überreste von Atlantis gestoßen.
Dazu gehörten der Berg auf dem sich früher die Akropolis befunden haben soll, aber auch einer der Kanäle, die laut Platon so typisch für Basileia waren. Als „Beweis“ für seine Behauptungen stellte Sarmast eine hübsche, aber wenig aussagekräftige Computeranimation vor, die angeblich auf den vom ihm gewonnenen Daten beruhte. Weitere Indizien: Fehlanzeige. Trotzdem zeigte sich Sarmast überzeugt: „Es ist ein Wunder, dass wir diese Mauern gefunden haben, deren Länge und Breite genau der Überlieferung entsprechen“.
Forscher widersprechen Sarmast
So weit so gut. Doch schon bald meldeten sich Forscher zu Wort, die bereits seit Jahren in dem betreffenden Meeresgebiet tätig sind. Sie hatten eine viel simplere und vor allem wissenschaftlich fundierte Erklärung für das von Sarmast präsentierte Phänomen: Schlammvulkane. „Wir können mit unseren Geräten viele Hundert Meter tief in den Meeresboden sehen. Da unten ist nur Schmodder“, sagt Christian Hübscher vom Institut für Geophysik der Universität Hamburg. Die Wissenschaftler hatten während ihrer Arbeit eine ganze Reihe ähnlicher Strukturen in der Region entdeckt.
Und noch eines spricht nach Angaben von Hübscher eindeutig gegen Sarmasts Atlantis-Theorie: „Es gibt sehr viele geowissenschaftliche Untersuchungen aus diesem Gebiet, die eindeutig belegen, dass die von Robert Sarmast bezeichnete Ebene in den letzten Millionen Jahren niemals trocken war. Tatsächlich lag der Meeresspiegel im östlichen Mittelmeer nur während der so genannten Messinischen Salinitätskrise wesentlich tiefer als heute (800–1.200 Meter). Das war allerdings vor knapp sechs Millionen Jahren.“
Dieter Lohmann
Stand: 25.03.2011