Die fast unbegrenzte Überlebensfähigkeit der seltsamen Mikroorganismen stachelte die Neugierde der Forscher an. Welcher Mechanismus steckte hinter der bis dahin unvorstellbaren Strahlenresistenz von Deinococcus? Was war sein „Trick“?
Zahlreiche Forschergruppen weltweit machten sich danach auf die Suche. Während die einen an einer Sequenzierung des Bakteriengenoms arbeiteten, versuchten andere, mithilfe von immer neuen Laborversuchen und Analysen der Stoffwechselvorgänge während und nach verschiedenen Strahlendosen, dem Geheimnis des „Superbugs“ auf die Spur zu kommen. Es zeigte sich, dass Deinococcus sein Erbgut offenbar nicht grundsätzlich gegenüber der Strahlung abschirmt. Wie bei anderen Mikroorganismen auch löste die Bestrahlung eine Vielzahl von Strangbrüchen in der DNA aus.
Doch die darauf folgende Reaktion war es, die sich von allen anderen bekannten Lebensformen unterschied: Während beim Bakterium Escherischia coli schon nach mehr als zwei oder drei Doppelstrangbrüchen sämtliche Reparaturmechanismen ausfallen und die Zelle zugrunde geht, schafft es Deinococcus radiodurans, innerhalb weniger Stunden ein Mehrfaches dieser Schäden spurlos zu beseitigen. Die zelleigenen DNA-Reparaturmechanismen rekombinieren die ursprüngliche DNA-Sequenz aus hunderten von Einzelteilen, ohne dass ihnen dabei Fehler unterlaufen.
Auf der Suche nach einer Erklärung für diese so ungewöhnlich leistungsfähige „Reparaturtruppe“ fanden die Forscher zwei Strategien: Deinococcus nutzt offenbar einen als „Einzelstrang-Brennen“ bezeichneten Mechanismus, um in einem ersten Schritt einige der Chromosomenbrüche zu kitten. In einem zweiten, entscheidenderen Schritt setzt es ein spezielles Protein, RecA ein, um auch die Doppelstrangbrüche zu flicken. Wie bei den meisten Bakterien liegen auch bei Deinococcus große Teile der Erbsubstanz in zahlreichen identischen Kopien vor. Die RecA-Proteine durchsuchen diese DNA-Kopien so lange, bis sie genau das Stück lokalisiert haben, das an anderer Stelle der DNA zur Reparatur benötigt wird. Dieser Abschnitt wird anschließend kopiert und an der Bruchstelle eingefügt.
Dieses System, so elegant es auch ist, ist jedoch keine Erfindung von Deinococcus. Auch andere, weitaus weniger resistente Bakterien verfügen über ähnliche Reparaturmechanismen und auch das Vorhandensein von mehreren DNA-Kopien ist kein Einzelfall im Reich der Mikroorganismen. „Diese Systeme alleine können die Strahlenresistenz nicht erklären,“ sagt Michael Daly, der seit Jahren die Reparaturmechanismen von Deinococccus untersucht. Auch Battista ist dieser Ansicht: „Die multiplen Genkopien reichen als Erklärung nicht aus. Sie müssen die Fähigkeit haben, dieses redundante genetische Material auf eine Weise zu nutzen, die anderen Organismen nicht möglich ist.“
Daly und sein Kollege Kenneth Minton glauben, in der speziellen Struktur, in der die DNA von Deinococcus angeordnet ist, einen entscheidenden Hinweis zu finden. Im Gegensatz zu der normalerweise kreisförmigen Anordnung der Gene vermuteten sie bei Deinococcus eine Ausrichtung der DNA, bei der die jeweils identischen Abschnitte des Genoms nebeneinander zu liegen kommen. Wie Pfennige in einer Rolle müssten die DNA-Schlaufen dabei übereinander liegen. Mit den jeweils passenden Kopien in nächster Nähe wäre eine Reparatur beschädigter Genteile schneller und leichter möglich.
Inzwischen unterstützen auch Beobachtungen von Battista diese so genannte „Rettungsring-Hypothese“: Auf mikroskopischen Aufnahmen scheinen sich in der Tat seltsame, vielleicht sogar stapelförmige Strukturen abzuzeichnen, die bei genetisch veränderten, nicht strahlenresistenten Deinococcus-Stämmen fehlen. Doch auch wenn diese Beobachtungen erste Hinweise geben, von einer Lösung sind die Forscher noch weit entfernt. Noch hütet Deincoccus sein Geheimnis…
Stand: 26.05.2001