Wasserstoff liegt voll im Trend: Die Nachfrage nach dem energiereichen Gas ist seit 1975 um das Dreifache angestiegen, wie Internationale Energieagentur (IEA) jüngst berichtete. Tatsächlich ist das energiereiche Gas längst ein unverzichtbarer Rohstoff unter anderem für die chemische Industrie – sie verbraucht den Hauptteil des produzierten Wasserstoffs. Aber auch Anwendungen als alternativer Antrieb im Verkehr, als Heizmittel oder als chemischer Energiespeicher sind inzwischen im Kommen.
Schmutzige Produktion
Der Haken daran: Bisher werden die rund 70 Millionen Tonnen des jährlich weltweit erzeugten Wasserstoffs fast ausschließlich aus fossilen Brennstoffen gewonnen – zu drei Vierteln durch Dampfreformierung aus Erdgas, aber auch aus Kohle oder Erdölkomponenten. Sechs Prozent des gesamten weltweit geförderten Erdgases und zwei Prozent der Kohle gehen aktuell in die Produktion von Wasserstoff.
Bei dieser Umwandlung entsteht jedoch genauso viel klimaschädliches Kohlendioxid wie bei der direkten Verbrennung der fossilen Brennstoffe. Nach Angaben der IEA ist die weltweite Wasserstoffproduktion dadurch jährlich für die Emission von 830 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich – das entspricht den gesamten Treibhausgas-Emissionen Großbritanniens und Indonesiens zusammen.
Wasserstoff aus erneuerbaren Energien
Doch es geht auch anders. Statt durch chemische Umwandlung fossiler Brennstoffe kann man Wasserstoff auch durch die Elektrolyse gewinnen – durch die Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff mithilfe von Strom. Der entscheidende Vorteil: Wenn für diese Wasserspaltung Strom aus erneuerbaren Energien verwendet wird, ist das Ganze komplett emissionsfrei. Bisher allerdings macht die Elektrolyse gerade einmal 0,1 Prozent der globalen Wasserstoffproduktion aus.
Im Zuge der Energiewende und des Klimaschutzes könnte sich das bald ändern. Denn Strom aus erneuerbaren Energien wie Sonne oder Wind hat den großen Nachteil, dass er unregelmäßig anfällt: Ist es Nacht oder es herrscht Flaute, produzieren Solar und Windanlagen nicht. Zu anderen Zeiten dagegen erzeugen sie mehr Strom, als das Netz verkraften kann. Um diese Schwankungen auszugleichen, werden Energiespeicher benötigt, die den Überschuss aufnehmen und ihn kontrolliert zu Zeiten erhöhten Strombedarfs wieder abgeben.
Hier kommt der Wasserstoff ins Spiel. Nutzt man den überschüssigen Wind- oder Solarstrom für die Elektrolyse, fungiert der dabei erzeugte Wasserstoff als chemischer Zwischenspeicher für die Energie. Herrscht dann wieder erhöhter Strombedarf, kann dieses Gas in Gaskraftwerken verbrannt oder zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt werden. Wasserstoff gilt deshalb heute als einer der wichtigsten Helfer bei der Dekarbonisierung der Energiesysteme – und als wichtige Ergänzung zu erneuerbaren Energien.
Beispiel Energiepark Mainz
Konkret umgesetzt und erprobt wird dieses Verfahren unter anderem im Energiepark Mainz. Hier wandeln drei große Elektrolyse-Einheiten seit dem Jahr 2015 Windstrom mit einer Maximalleistung von sechs Megawatt in Wasserstoff um. Das im Energiepark erzeugte Gas wird sowohl von Industrieverbrauchern genutzt als auch für öffentliche Wasserstoff-Tankstellen verwendet. Ein Teil des Wasserstoffs wird zudem dem Erdgas des benachbarten Stadtteils Ebersheim beigemischt.
Die Anlage war bei Inbetriebnahme die weltweit größte dieser Art und gilt als Vorzeigeprojekt. Nach zweijähriger Testphase ist der Energiepark inzwischen in den Regelbetrieb übergegangen. Die Betreiber, die Mainzer Stadtwerke und der Gashersteller Linde, werten das Projekt als vollen Erfolg. Die Elektrolyseanlage funktioniere nicht nur technisch einwandfrei, sondern lasse sich in absehbarer Zukunft auch wirtschaftlich betreiben, so das Konsortium.
Erdgas aus Wasserstoff und Klärschlamm
Eine weitere Variante, „grünen“ Strom mithilfe von Wasserstoff zwischenzuspeichern, testen Wissenschaftler zurzeit in Spanien. Ihre von Forschern am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mitentwickelte Pilotanlage in der Nähe von Barcelona produziert aus dem Strom von nahen Wind- und Solaranlagen zunächst mittels Elektrolyse Wasserstoff. Dieser wird allerdings nicht direkt weiterverwendet oder gespeichert, sondern noch vor Ort in einen weiteren Energieträger umgewandelt: Mithilfe eines Katalysators und CO2 aus dem Klärschlamm der örtlichen Kläranlage entsteht aus dem Wasserstoff Methan – Erdgas.
Der große Vorteil: Dieses mit erneuerbarer Energie produzierte Erdgas kann mit der gut ausgebauten Erdgas-Infrastruktur Spaniens einfach gespeichert und verteilt werden. Noch produziert die Pilotanlage zwar nur rund 100 Kubikmeter Methan pro Tag. Die Forscher sehen in der Kombination des „grünen“ Power-to-Gas-Verfahrens mit Kläranlagen aber einen vielversprechenden ersten Schritt zu einem geschlossenen Kohlendioxid-Kreislauf.