Eine andere moderne Form des tierischen Kannibalismus ist in Deutschland erst in den letzten Monaten so richtig bekannt geworden. Es handelt es sich dabei allerdings um ein echtes Man-made Desaster, dessen schwerwiegende Folgen wir im Moment drastisch zu spüren bekommen. Jahrzehntelang haben Verbraucher das Fleisch aus beinahe industriell anmutenden Mastbetrieben im Vertrauen auf die deutschen Sicherheitsvorschriften mit Genuss verspeist. Heute, im Zuge der BSE-Krise, ist vielen der Appetit vergangen, seitdem klar ist, dass auch Rinder in Deutschland BSE-verseucht sind.
Hausgemachte Infektion
Als ursächliche Erreger für die Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE oder „Rinderwahnsinn“) gelten heutzutage Prionen, die in entarteter Form infektiös wirken können. Eine der wesentlichen Übertragungsquellen für Prionen war/ist nach heutigen Erkenntnissen das lange Zeit in der Landwirtschaft verwendete Tiermehl.
Zu 85 Prozent besteht dieses Tiermehl aus den Abfällen der Schlachthäuser. Der Rest stammt von Nutztieren, die verendet sind und eingeschläferten Haustieren. Selbst Hochrisikomaterialien für BSE wie Gehirnmasse oder Rückenmark wurden vom Menschen über das Tiermehl entsorgt. Um Kosten zu sparen, verringerten die Betreiber der Futtermittelfabriken irgendwann die Verarbeitungstemperaturen und potentielle Erreger in den Abfällen tierischen Ursprungs konnten überleben und über das Tiermehl weiter verbreitet werden.
Fein gemahlen und erhitzt wurde dieser „Fleischmüll“ lange Zeit lebenden Wiederkäuern vorgesetzt – zum Teil auch in Form von Zusätzen bei anderen Futtermitteln wie Milchpulver. Die Kühe und Bullen fraßen demnach nicht nur ihre Artgenossen, sondern mutierten dabei auch zu medizinischen Zeitbomben. BSE und Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung waren nicht mehr aufzuhalten.
Alternative Verwendung
Mittlerweile ist die Verfütterung von Tiermehl an Kühe, Schafe, Ziegen, Schweine und Geflügel in der EU verboten. Die Bestrebungen gehen aber auch dahin, aus Sicherheitsgründen die Verfütterung von Tierresten an andere Tiere grundsätzlich und dauerhaft zu verbieten.
Dass Tierkadaver und ähnliche Reste aus der Fleischproduktion auch sinnvoller entsorgt werden können, zeigt zudem ein Modellprojekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (Osnabrück), an dem die Technischen Universitäten Braunschweig und München sowie verschiedene Firmen beteiligt sind.
Die Wissenschaftler untersuchen dabei, ob es in Zukunft möglich sein wird, Tierfette aus Tierkadavern verstärkt zu Kühlschmierstoffen zu verarbeiten und in der Metallindustrie als Ersatz für Schmierstoffe aus der endlichen Energiequelle Öl zu verwenden. Große Teile der Produkte aus der Tierkörperverwertung könnten so von der Nahrungskette ausgeschlossen werden.
Stand: 14.04.2001