Der Lake Wostok ist immer wieder für eine Überraschung gut. Zwar weiß man schon seit langem, dass im See frostige -3°C Wassertemperatur herrscht und er unter rund 4.000 Meter dickem Eis begraben ist. Dass es sich bei dem See aber nicht um ein einheitliches Gebilde mit einem einzigen Becken handelt, kam für viel unverhofft.
Ein See mit zwei Becken
Gezeigt haben dies im Juli 2004 Wissenschaftler um Michael Studinger, Robin Bell und Anahita Tikku vom Lamont-Doherty Earth Observatory (LDEO) in den USA zusammen mit Kollegen vom Rensselaer Polytechnischen Institut.
Mithilfe von Laserhöhenmessern, eisdurchdringendem Radar und Schwerkraftmessungen fanden sie in ihrer Studie heraus, dass der flüssige, untereisische See durch einen Höhenrücken in zwei weitgehend getrennte Bereiche unterteilt wird. Dieser Grat reicht bis 200 Meter an die Wasseroberfläche heran und sorgt so für ein kleineres nördliches und ein größeres südliches Becken. Die beiden Teile des Lake Wostok unterscheiden sich nach Ansicht der Forscher sowohl von der Wasserchemie als auch von der Zusammensetzung des Mikroben-Lebens deutlich.
18 mal so viel Wasser wie der Bodensee
„Die Erhebung zwischen beiden Becken limitiert den Wasseraustausch zwischen beiden Systemen“, erklärt Studinger. „Als Folge ist die chemische und biologische Zusammensetzung dieser beiden Ökosysteme wahrscheinlich auch verschieden.“
Doch damit nicht genug: Im Rahmen ihrer Arbeit ist es den Wissenschaftlern endlich auch gelungen, das Volumen des Sees präzise zu bestimmen. Danach befinden sich in ihm mindestens 5.400 Kubikkilometer Wasser. Zum Vergleich: das ist 18 Mal so viel wie im Bodensee. Darüberhinaus besitzt Lake Wostok eine Tiefe von bis zu 900 Metern.
Rätsel um Wasserbewegungen gelöst?
Studinger, Bell & Co haben im Rahmen ihrer Kartierung zudem die Wasserbewegungen im See wenigstens zum Teil entschlüsselt. Die gesammelten Daten belegen, dass die auflagernde Eisdecke am nördlichen Rand des Sees langsam abtaut, wobei sich größere Mengen an Schmelzwasser bilden.
Eine moderate Strömung sorgt anschließend dafür, dass dieses im Laufe der Zeit langsam nach Süden wandert und dort wieder gefriert und an die Eisdecke andockt. Das neu geformte Eis – „accreted ice“ – wird anschließend von dem über die Oberfläche hinweg ziehenden Eisschild mitgenommen und in Richtung Meer transportiert.
Daraus ergeben sich völlig neue Möglichkeiten für die Suche nach Leben im Lake Wostok. Da dieses Eisreservoir direkt aus dem Seewasser gespeist wird, sollten sich möglicherweise vorhandene Mikroben auch im „accreted ice“ befinden. Im Prinzip würde es daher reichen dieses anzubohren, um mehr über die Häufigkeit der Organismen, ihr Aussehen und die Artenvielfalt herauszufinden. Doch das ist noch Zukunftsmusik. Denn eine solche neue Eisbohrung ist nicht nur technisch aufwändig, sondern auch extrem teuer und deshalb nach Ansicht von Experten kaum finanzierbar.
Stand: 07.11.2008