Die 1929 von US-Astronom Edwin Hubble veröffentlichte Erkenntnis eines sich ausdehnenden Universums ist für viele seiner Zeitgenossen ein Schock. Denn sie torpediert die seit langer Zeit fest etablierte Vorstellung eines statischen, schon immer existierenden Kosmos – eine Überzeugung, die auch Albert Einstein noch teilt. Doch Hubbles Messungen der Rotverschiebung ferner Galaxien belegen eindeutig, dass diese sich von der Milchstraße entfernen, mit einer Geschwindigkeit, die heute als Hubble-Konstante H0 bekannt ist.
Einsteins Widerstand
Einstein lässt sich von Hubbles Beobachtungen dennoch wenig beeindrucken – jedenfalls zunächst. Andere Forscher sehen in den neuen Erkenntnissen hingegen eine Chance, bestehende Widersprüche und offenen Fragen zu klären. Sie passen ihre Modelle und Berechnungen so an, dass sie nun die kosmische Expansion berücksichtigen, darunter auch der britische Astrophysiker Arthur Eddington, der 1919 durch seine Beobachtungen einer Sonnenfinsternis den endgültigen Beweis für Einsteins Relativitätstheorie erbracht hatte.
Doch auch Einstein kann sich nicht auf Dauer vor den neuen Erkenntnissen verschließen. 1931, nach einer USA-Reise, bei er auch Hubble und Eddington trifft, beginnt er seine Meinung zu revidieren – allerdings noch immer mit großer Skepsis: „Die Rotverschiebung der fernen Nebel hat meine alte Konstruktion wie ein Hammerschlag zerschmettert, aber diese Rotverschiebung ist noch immer ein Mysterium“, sagt Einstein in einem Interview mit der Los Angeles Times.
Allerdings hält Einstein noch immer an einem ewig bestehenden Universum fest. Seiner Ansicht nach lassen sich die Beobachtungen erklären, wenn man von einem Universum ausgeht, das seit Ewigkeiten statisch war, dann jedoch irgendwann zu expandieren begann. Aber zumindest die von ihm ohnehin ungeliebte kosmologische Konstante beseitigt Einstein nun – es sei seine „größte Eselei“ gewesen, soll er gesagt haben. Wenn das Universum nicht statisch ist, sondern gleichmäßig expandiert, wird dieser Ausgleichsfaktor nicht mehr gebraucht. Dass diese Konstante dennoch wichtig ist, sollte sich erst rund ein halbes Jahrhundert später zeigen.
„Aus physikalischer Sicht vollkommen abscheulich“
Ein Forscher, der sich durch Hubbles Daten bestätigt sieht, ist dagegen der belgische Kosmologe und Priester Georges Lemaître. Er hat bereits 1927, zwei Jahre vor Hubble, auf Basis von Einsteins Gleichungen und Sliphers Beobachtungen postuliert, dass sich das Universum ausdehnt. „Die Wegbewegung der extragalaktischen Nebel ist ein kosmischer Effekt, der durch die Expansion des Weltraums ausgelöst wird“, konstatiert Lemaître in seinem Artikel.
Mit dieser Schlussfolgerung allerdings macht er sich Einstein nicht gerade zum Freund. Dieser lässt den jungen Kosmologen rüde abblitzen, als dieser ihn während einer Tagung um seine Meinung bittet. Er liest Lemaîtres Artikel zwar, äußert sich aber wenig positiv, wie Lemaître anschließend berichtet: „Nach ein paar wohlwollenden technischen Bemerkungen schloss er mit den Worten, dass ihm dies aus physikalischer Sicht vollkommen abscheulich erscheine.“
Mit dem Kehrwert zum Uranfang
Doch für Lemaître ist Hubbles Beobachtung genau das Puzzlestück, das seine noch weitgehendere, revolutionäre Theorie bestätigt: einen Uranfang des Universums. Denn wenn sich der Kosmos ausdehnt, muss er irgendwann einmal sehr viel kleiner gewesen sein – vielleicht sogar aus einem winzigen Punkt entstanden. Für Lemaître ist klar: Am Anfang muss eine Art Urkeim oder Uratom gegeben haben, in dem die gesamte Masse des Kosmos schon enthalten war.
Und nicht nur das: Nimmt man den Kehrwert der Hubble-Konstante, kann man zurückrechnen, wann das Universum entstanden sein muss, so Lemaîtres Idee. Die Konstante erlaubt es damit, das Alter des Kosmos abzuschätzen. Auch damit stößt der belgische Physiker und Kosmologe nicht gerade auf Gegenliebe, die meisten seiner Zeitgenossen lehnen die Idee eines „Urknalls“ ab oder halten sie für zu spekulativ.
Wie alt ist der Kosmos?
Da hilft es nicht unbedingt, dass Hubbles Konstante zu dieser Zeit noch viel zu hoch ist. Aufgrund der noch ungenauen Spektroskope liegt der von Edwin Hubble ermittelte Wert bei rund 500 Kilometer pro Sekunde und Megaparsec. Wenn man diesen jedoch als Grundlage nimmt und zurückrechnet, muss das Universum vor erst zwei Milliarden Jahren entstanden sein – viel zu wenig, wie man auch in den 1930er Jahren schon weiß. Denn geologischen Daten zufolge ist selbst die Erde deutlich älter.
Nach einigen Korrekturen der Hubble-Konstante und der Vermessung weiterer Galaxien kommen die Kosmologen zu Lemaîtres Zeit auf ein Alter des Universums von rund zehn Milliarden Jahren. Damit liegen sie zumindest in der richtigen Größenordnung, wie man heute weiß. Damals jedoch gehen die Astronomen von einem sehr viel höheren Alter der Sonne aus, daher passt auch dieser neue Wert nicht ins Bild, wie auch Einstein im März 1931 konstatiert: „Der Haken ist aber, dass die Expansion der Materie auf einen zeitlichen Anfang schließen lässt, der 10<sup>10</sup> beziehungsweise 10<sup>11</sup> Jahre zurückliegt. Da eine anderweitige Erklärung des Effekts auf große Schwierigkeiten stößt, ist die Situation sehr aufregend.“
Und aufregend ist es bis heute geblieben. Denn auch wenn Kosmologen inzwischen das Alter des Kosmos und den Zeitpunkt des Urknalls relativ sicher auf rund 13,8 Milliarden Jahre eingegrenzt haben, sorgt die Hubble-Konstante weiterhin für Widersprüche und Diskussionen. Denn die für sie ermittelten Werte anhand von Supernovae, veränderlichen Sternen, Roten Riesen und anderen „kosmischen Messlatten“ weichen von dem Wert ab, den Astrophysiker anhand der kosmischen Hintergrundstrahlung für den frühen Kosmos ermittelt haben.
Anders ausgedrückt: Das Universum dehnt sich schneller aus, als es den Modellen nach dürfte. Und es kommt noch etwas hinzu…