Warum spielt die Position einer Satellitengalaxie eine Rolle für ihre Sternbildung? Welcher physikalische Mechanismus könnte für diesen Zusammenhang verantwortlich sein? Die Hypothese von Pillepich, Martín-Navarro und ihre Kollegen: Der Ausstrom des aktiven Schwarzen Lochs im Zentrum der Hauptgalaxie spielt eine wichtige Rolle.
Weniger Fahrtwind – mehr Gasreserven
Man stelle sich eine Satellitengalaxie vor, die durch eine der ausgedünnten Blasen reist, die das zentrale Schwarze Loch im umgebenden intergalaktischen Medium erzeugt hat. Aufgrund der geringeren Dichte erfährt diese Satellitengalaxie weniger Fahrtwind, weniger Staudruck. Damit ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass das Gas jener Satellitengalaxie aus der Galaxie herausgedrückt wird.
Dabei kommt es auf die Statistik an. Bei Satellitengalaxien, die dieselbe Zentralgalaxie schon mehrmals umkreist haben und dabei Blasen, aber auch die dazwischen liegenden Regionen mit höherer Dichte mehrmals durchquert haben, wird der Effekt nicht weiter auffallen. Solche Galaxien haben ihr Gas längst verloren.
Aber für Satellitengalaxien, die erst kürzlich zu der Gruppe oder dem Haufen hinzugestoßen sind, wird der Ort einen Unterschied machen: Wenn diese Satelliten zufällig zuerst in einer Blase landen, ist es weniger wahrscheinlich, dass sie ihr Gas verloren haben, bis wir sie beobachten, als wenn sie beim Gruppen-Beitritt außerhalb einer Blase landen. Dieser Effekt könnte der Grund für den ortsbedingten statistischen Unterschied bei den Satellitengalaxien sein.
Hypothese bestätigt…
Die Übereinstimmung zwischen den statistischen Analysen der SDSS-Beobachtungen und der IllustrisTNG-Simulationen, kombiniert mit einer plausiblen Hypothese für den dahinterstehenden physikalischen Mechanismus, ist ein vielversprechendes Ergebnis. Im Zusammenhang mit der Galaxienentwicklung ist das Ergebnis auch deswegen interessant, weil es indirekt bestätigt, dass aktive Galaxienkerne das umgebende intergalaktisches Gas nicht nur aufheizen, sondern aktiv „wegschieben“, um Regionen mit geringerer Dichte zu schaffen.
Und wie bei allen vielversprechenden Ergebnissen gibt es eine Reihe von naheliegenden Richtungen, in die Martín-Navarro, Pillepich und ihre Kollegen, aber auch andere Wissenschaftler weiterforschen können. Zunächst einmal gibt es weitere Simulationen, die ähnlich umfassend und detailliert sind wie IllustrisTNG, aber die kosmische Entwicklung etwas anders modellieren. Liefern diese Simulationen, wie zum Beispiel die EAGLE-Simulation, die gleichen Ergebnisse?
Die SDSS-Beobachtungen dokumentieren die Lage im Universum zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt. Allerdings gilt: Wenn Astronomen ins All blicken, blicken sie gleichzeitig in die Vergangenheit. Bereits die Andromedagalaxie sehen wir so, wie jene Galaxie vor 2,5 Millionen Jahren war, schlicht weil das Licht der Andromedagalaxie 2,5 Millionen Jahre benötigt hat, um zu uns zu gelangen. Auf diese Weise können Forschende die Vergangenheit ferner kosmischer Regionen direkt beobachten.
…aber Fragen bleiben
Das wirft direkt die Frage auf: Zeigen Beobachtungen deutlich weiter entfernter Galaxien, also Beobachtungen, die das Universum so abbilden, wie es zu deutlich früheren Zeiten war, ähnliche statistische Unterschiede bei den damaligen Satellitengalaxien? Vom vorgeschlagenen Mechanismus her würde man sogar erwarten, dass der statistische Effekt in der Vergangenheit ausgeprägter war – und das ist eine Vorhersage, die sowohl anhand von Beobachtungen als auch innerhalb der virtuellen Universen kosmologischer Simulationen überprüft werden kann.
Nicht zuletzt liefern die neuen Ergebnisse zusätzliche Motivation dafür, IllustrisTNG-Vorhersage über das Auftreten von Regionen geringerer Dichte um die zentralen Galaxien von Galaxiengruppen und -haufen durch neuartige Beobachtungen auf den Prüfstand zu stellen. Der deutsch-russische Röntgensatellit eROSITA, der im Sommer 2019 ins All gestartet ist, könnte diese großräumigen Strukturen innerhalb von Galaxiengruppen oder -haufen direkt nachweisen, indem es die Helligkeit des vom Gas emittierten Lichts bei verschiedenen Röntgenwellenlängen misst.