Karstregionen sind oft geologisches Risiko-Gebiet. Plötzliche Erdstöße können hier den Boden erschüttern oder jäh unter den Füßen wegbrechen lassen. Dabei handelt es sich nicht um Erdbeben im eigentlichen Sinne. Ursache für die Erschütterungen im Karst ist die Lösungsverwitterung.
Gefährlicher Gipskarst
Eine solcherart gefährdete Karstlandschaft liegt auch am Südrand des Harzes. Das angrenzende Thüringer Becken besteht aus ozeanischen Sedimenten, die vor 250 bis 210 Millionen Jahren in einem tropischen Flachmeer abgelagert wurden. Die Gesteine sind zum großen Teil durch Ausfällung entstanden, entweder durch kalkbildende Organismen oder durch Verdunstung. Deshalb bestehen sie aus sehr leicht löslichen Salzgesteinen wie Stein- und Kalisalz, aus etwas widerstandsfähigerem Gips und Anhydrit sowie aus den Karbonatgesteinen Kalk und Dolomit. Als sich 200 Millionen Jahre nach der Sedimentation der Harz heraushob, wurden die horizontal gelagerten Schichten des Thüringer Beckens mit nach oben geschleppt. Aus diesem Grund sind sie noch heute schüsselförmig aufgebogen und verlaufen schräg im Untergrund. An der Oberfläche ist davon jedoch nur ein schmaler Streifen zu sehen.
Auf einem mehrere Kilometer breiten Band aus Gips und Anhydrit, das sich von Osterode bis nach Sangerhausen am Südharz entlangzieht, gehört die Gefahr von plötzlichen Erdfällen zum täglichen Risiko. Gips ist einhundertmal leichter löslich als Kalk, etwa zwei Gramm kann ein Liter Wasser aufnehmen. Eine einzige Quelle löst hier bis zu 40.000 Tonnen Gips pro Jahr und schwemmt ihn davon.
Wird der Gips in bis zu 200 Metern Tiefe gelöst, entstehen große Höhlen, die dem Druck des Erdreiches irgendwann nicht mehr standhalten. Die unterirdischen Hohlräume brechen ein, darüber liegende Erdschichten stürzen nach. So tun sich immer wieder neue Krater auf, manche sind nur einen Meter breit, andere reißen Straßen auseinander oder bringen Häuser zum Einsturz – oft an Stellen, wo oberflächig gar kein Gips zu finden ist. Am Südharz gibt es tausende solcher Erdfälle, jährlich kommen etwa zehn dazu.
Dolinen und Poljen
Wo das Karst-Gestein auch an der Oberfläche vom Wasser angegriffen wird, entstehen Dolinen. Diese großen Trichter können unvermittelt einbrechen, wenn Niederschlagswasser permanent in Rinnen und Klüfte eindringt und mit fortschreitender Erosion offene Kessel oder tief in das Gestein hinabreichende Schlote formt. Eines der größten Exemplare ist die „Rote Doline“ im slowenischen Karst. Sie entstand 1942 und ist über 400 Meter tief. Manchmal verbinden sich mehrere benachbarte Dolinen zu hunderte Meter großen Senken, weil das Wasser auch die Zwischenwände wegerodiert.
Vor allem unter feuchtwarmen Bedingungen in den klassischen Karstregionen Dalmatiens können so allein durch Auslaugung und von wenigen Dolinen ausgehend einige Quadratkilometer große, wannenartige Karstebenen entstehen. So genannte Poljen sind die größten Karstrrscheinungen. Aus erodierten, hineingespülten lösungsresistenten Gesteinen wie Ton oder Sandstein, bildet sich auf dem Grund solcher Senken eine Sedimentschicht, die den Boden abdichtet. Weil das Wasser auf diesem Untergrund nicht sofort versickert, bleiben Flüsse hier an der Oberfläche und durchziehen die Poljen. Meist tritt das Wasser am Beginn der Ebene als stark schüttende Karstquelle aus dem Kalkstein aus, durchquert die Ebene und verschwindet am Ende wieder in einem Ponor, von wo es erneut unterirdisch weiterfließt.
Stand: 15.01.2005