„Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das zum Mord an Artgenossen fähig ist.“ Diese Aussage galt lange Zeit bei Tierfreunden in aller Welt als unumstößliches Dogma. Doch mit der Zeit mussten diese Menschen erkennen, dass auch in der Tierwelt Brudermord und sogar Kannibalismus immer wieder zu beobachten sind. Gerade das Fressen von Tieren der eigenen Art hielten sogar Wissenschaftler bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts für ein seltenes, eher krankhaftes Verhalten im Tierreich. Mittlerweile aber konnte man in vielen Studien und Freilandversuchen nachweisen, dass bei vielen Tierarten Kannibalismus relativ häufig vorkommt.

Brudermord unter Schimpansen
Dabei ist dieses Phänomen nicht auf niedere Tiere wie Einzeller oder Würmer beschränkt, sondern zieht sich durch alle Tierstämme und macht auch vor unseren „nächsten Verwandten“, den Affen – speziell den Primaten – nicht halt. Diese schmerzliche Erfahrung musste selbst Jane Goodall, die weltberühmte Ethologin, während ihrer Studien über das Verhalten von Schimpansen im afrikanischen Nationalpark Gombe in Tansania machen.
Im Rahmen von Stammeskriegen zwischen der von ihr jahrelang beobachteten Schimpansenhorde und einigen abtrünnigen Tieren kam es immer wieder zu Brudermord und kannibalistischen Vorfällen. Zumindest in zwei Fällen berichtete Jane Goodall – zu ihrem eigenen Entsetzen – dass ein Weibchen, von ihr „Passion“ genannt, andere rangniedere Schimpansenmütter überfiel, deren Kinder raubte und anschließend verspeiste.
Ein Verhalten, dass nicht ohne Auswirkungen auf Passions eigenen Nachwuchs blieb. Die Tochter der Kannibalin, die ihre Mutter während ihrer Taten anscheinend aufmerksam beobachtet hatte, wurde ebenfalls zur Mörderin, indem sie die Handlungen von Passion fast bis ins Detail nachahmte.