Wie bei nahezu allen innovativen Technologien liegen auch in der synthetischen Biologie Chancen und Risiken dicht beieinander. Vor allem zwei Gefahren sind dabei in der Diskussion: „Einige Menschen haben Angst, dass eine biotechnisch manipulierte oder komplett künstlich erzeugte Lebensform sich genetisch verändern und außer Kontrolle geraten könnte“, erklärt der Bioengineering-Forscher James Collins von der Boston University. Könnten beispielsweise zu Biosensoren umgebaute Pflanzen ihre natürlichen Verwandten verdrängen und ausrotten? Und welche Folgen hätte es, wenn genetisch umgerüstete Mikroben durch ein Versehen in die Umwelt gelangen?
Selbstmord-Gene sollen Ausreißer töten
Die Gefahren einer versehentlichen Freisetzung sehen auch Craig Venter und sein Team. Für ihre Bakterienzelle mit künstlichem Genom sorgten sie daher vor: Sie entfernten 14 Gene aus dem Code der Mikrobe, darunter auch Gene, die für die Verbreitung des Bakteriums wichtig sind. „Außerdem bauen wir nur Zellen, die außerhalb des Labors nicht lebensfähig sind“, heißt es in einer Stellungnahme des Instituts. „Das kann man beispielsweise erreichen, indem die Organismen zum Überleben einen bestimmten Nährstoff benötigen, der in der Natur nicht vorkommt. Oder man baut ihnen Selbstmord-Gene ein, die aktiviert werden, wenn das Bakterium sein Nährmedium im Labor verlässt.“
In den Gencode ihrer ersten künstlichen Zelle bauten Venter und sein Team zudem ein spezielles Wasserzeichen ein, das dieses Erbgut deutlich als synthetisch kennzeichnet. „Als einer der Vorreiter in diesem Feld wollten wir absolut sichergehen, dass wir synthetische DNA von natürlicher unterschieden können“, erklärte Venter auf der Pressekonferenz. Die Zelle trägt eingebaut in die DNA-Sequenzen eine Abfolge von Stoppcodes, aus denen sich die Namen der 47 Mitarbeiter am Projekt, eine Internetadresse und vier historische Zitate ergeben. Unter den Zitaten ist eines des Physikers Richard Feynman: „Was ich nicht bauen kann, kann ich auch nicht verstehen.“
Maßgeschneidert zusammengebaute Biowaffen
Eine andere Befürchtung ist, dass Terroristen die Technologie nutzen könnten, um Biowaffen herzustellen. „Die synthetische Biologie ist klar in der Kategorie der Dual-Use-Technologien“, räumt auch Pionier Craig Venter ein. Sie könne zum Guten genutzt werden, aber auch um Menschen oder Gesellschaften zu schaden. „Statt wie früher es in der Natur suchen zu müssen oder es zu stehlen, kann man ein Pathogen jetzt einfach synthetisieren.“ Es sei damit theoretisch möglich, gezielt harmlose Mikroben zu tödlichen Erregern umzurüsten.
Unter anderem deshalb beschäftigen sich bereits seit einigen Jahren auch Behörden und staatliche Institutionen vor allem in den Industrieländern mit diesem Thema. Erste Vorschläge für internationale Regelungen gegen den Missbrauch der Technologie gibt es bereits. So gibt es die Idee, Firmen, die synthetische DNA-Stücke herstellen und vertreiben, dazu verpflichtet werden, die von Kunden angeforderten Sequenzen darauf zu überprüfen, ob sie potenziell schädliche Gene enthielten, beispielweise die Sequenz eines krankmachenden Virengens. Eine andere Möglichkeit wäre es, die Geräte, die für die Herstellung dieser DNA-Fragmente benötigt würden, meldepflichtig zu machen oder bestimmte benötigte Chemikalien.
Technologie steht noch Anfang
„In diesem frühen Stadium der Entwicklung bringt die synthetische Biologie kaum Gefahren, die sich fundamental von denen der bisher gängigen Biotechnologie unterschieden“, sagt Brent Erickson von der Biotechnology Industry Organisation (BIO). Das Reglementarium und die Richtlinien, die für Gentechnik und den Umgang mit rekombinanter DNA gelten, seien daher auch für dieses neue Feld anwendbar und relevant.
Ähnlich sieht es auch James Collins von der Boston University: „Im Moment ist die synthetische Biologie noch im kunsthandwerklichen Stadium: Menschen in ein paar Dutzend Labors produzieren ihre eigenen Bauteile – Genpromoter, Proteine, Repressorgene und so weiter. Aber es gibt noch immer viele molekulare Teile, die noch nicht genügend charakterisiert sind, um als Werkzeuge in der synthetischen Biologie eingesetzt werden zu können.“
Nadja Podbregar
Stand: 23.03.2012