Die Supernova eines Sterns kann für einen Planeten selbst dann nachhaltige Folgen haben, wenn er nicht innerhalb der „Todeszone“ der Sternexplosion liegt. Denn auch eine nicht tödliche oder die Ozonschicht ganz zerstörende Strahlendosis kann Atmosphäre und Lebenswelt beeinflussen. Auch unsere Erde könnte im Laufe ihrer Geschichte mehrere solcher Beinahe-Katastrophen durchlebt haben.
Radioaktives Eisen als Supernova-Bote
Doch woher weiß man, wann es eine erdnahe Supernova gab und welche Auswirkungen dies hatte? Ein Indiz dafür sind bestimmte Isotope, die auf der Erde nicht natürlicherweise vorkommen, aber in Sternexplosionen entstehen. Eines davon ist das radioaktive Eisen-Isotop 60Fe. „Eisen-60 ist auf der Erde extrem selten, da es auf natürliche Weise nicht signifikant produziert wird. Es wird aber in großen Mengen direkt vor einer Supernova-Explosion erzeugt“, erklärt Anton Wallner vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR).
Die von der Supernova ausgeschleuderten 60Fe Atome sammeln sich in interstellaren Staubkörnchen, die mit der sich ausbreitenden Schockwelle der Explosion mitgerissen werden und im gesamten Umfeld der Supernova verteilen. Ereignet sich eine solche Supernova in rund 30 bis 500 Lichtjahren Entfernung von der Erde, fängt das Magnetfeld des Sonnensystems, die Heliosphäre, einen Großteil der einzelnen Atome ab. Die in Staubkörnchen eingeschlossenen Isotope können aber ins Sonnensystem eindringen und bis zur Erde gelangen. Dort rieseln sie als kosmischer Staub in die Erdatmosphäre ein und bringen so ihre Isotop-Fracht bis auf die Erdoberfläche.
Allerdings: Selbst bei einer Supernova in der tödlichen Distanz ist die Dichte der auf der Erde ankommenden Eisen-60-Isotope extrem gering. Bei einer weiter entfernten sind es noch weniger: In einem Gramm Sediment verbergen sich dann zwischen Trillionen normaler Eisenatome nur rund tausend Atome des Isotops Eisen-60. Um diese wenigen Supernova-Anzeiger aufzuspüren, benötigen Forschende daher spezielle Messmethoden wie die Beschleuniger-Massenspektrometrie (AMS). In diesen Anlagen werden die unterschiedlich schweren Atomsorten zunächst beschleunigt, gefiltert und ionisiert und dann in speziellen Teilchendetektoren erfasst.
Häufung vor 2,6 Millionen Jahren
Trotz dieses schwierigen Nachweises ist es Forschenden schon mehrfach gelungen, das Supernova-Eisen nachzuweisen – unter anderem in Tiefseesedimenten, marinen Mikrofossilien und sogar in Mondgestein, das von Apollo-Astronauten zur Erde zurückgebracht wurde. „Wir gehen davon aus, dass das Fe-60 in beiden Funden, Mond und Erde, denselben Ursprung hat: es handelt sich um die Ablagerungen von frisch erzeugtem Sternenmaterial, das in einer oder mehreren Supernovae produziert wurde“, sagt Gunther Korschinek von der TU München, dessen Team die Mondproben im Jahr 2016 untersucht hat.
Das Auffallende daran: Die Eisen-60-Partikel wurden sowohl auf der Erde wie auf dem Mond größtenteils in Ablagerungen gefunden, die vor rund zwei bis zweieinhalb Millionen Jahren entstanden sind. Ihre Konzentration legt zudem nahe, dass sie von einer Sternexplosion stammen, die sich um diese Zeit in rund 150 Lichtjahren Entfernung ereignete.
Schuld am Tod von Megalodon?
Doch was waren die Folgen? Diese Frage hat ein Team um Adrian Melott von der University of Kansas im Jahr 2018 näher untersucht. Sie wollten im Speziellen wissen, ob die bei dieser Supernova auf die Erde treffende harte Strahlung die irdische Lebenswelt geschädigt haben könnte. Dafür ermittelten sie mithilfe eines Modells, wie viele Myonen, schwere Verwandte des Elektrons, durch die Strahlung in der Erdatmosphäre gebildet wurden. Wenn Myonen energiereich sind, gelten sie als ionisierende Strahlung und können ähnlich wie Röntgenstrahlen Erbgut und Zellen schädigen und Krebs auslösen.
Und tatsächlich: Die Strahlenbelastung durch Myonen könnte sich vor rund 2,6 Millionen Jahren durch diese Supernova um das Hundertfache erhöht haben. „Wir schätzen, dass die Krebsrate für ein Lebewesen von der Größe eines Menschen dadurch um 50 Prozent gestiegen wäre“, so Melott. „Je größer man aber ist, desto schlimmer wird es.“ Wie diese energiereichen Myonen sogar mehrere hundert Meter tief in die Ozeane eindringen können, hätten demnach auch in flacherem Wasser lebende Wale und Haie eine erhebliche Strahlendusche abbekommen.
Damit könnte diese urzeitliche Supernova auch das Rätsel um ein Massenaussterben der marinen Megafauna vor 2,6 Millionen Jahren lösen. Denn damals starben rund ein Drittel der großen Meeresbewohner aus, darunter auch der gewaltige Urzeit-Hai Megalodon. Nach Ansicht von Melott und seinem Team könnte die erhöhte Strahlenbelastung durch die erdnahe Supernova zu diesem Aussterbe-Ereignis beigetragen haben. „Bisher hat es keine wirklich gute Erklärung für dieses Aussterben gegeben“, sagt Melott. „Dies könnte eine sein.“
Verursachte eine Supernova das Hangenberg-Ereignis?
Und es gibt noch ein weiteres Massenaussterben, bei dem eine Supernova als Urheber im Verdacht steht: das sogenannte Hangenberg-Ereignis am Ende des Devon-Zeitalters vor rund 359 Millionen Jahren. Dabei starben bis zu 75 Prozent aller Pflanzen und Tiere aus, darunter auch die zuvor im Ozean dominierenden Panzerfische. Dieses Massenaussterben gilt als möglicherweise entscheidend für die Entwicklung der ersten moderneren Fische und damit der Vorfahren der Landwirbeltiere.
Die Ursachen des Hangenberg-Ereignisses sind bisher unklar. Im Verdacht stehen aber Veränderungen des Klimas und der Atmosphäre – und auch an diesem Punkt kommt eine erdnahe Supernova ins Spiel. Denn wie Brian Fields von der University of Illinois in Urbana und seine Kollegen im Sommer 2020 ermittelten, könnte eine solche Sternexplosion in rund 100 Lichtjahren Entfernung damals Teile der Ozonschicht zerstört und die Strahlenbelastung auf der Erdoberfläche deutlich erhöht haben. Potenzielle Indizien dafür sind unter anderem vermehrte Fossilfunde von fehlgebildeten Tieren und Pollen mit Strahlenschäden.
„Die Intensität der kosmischen Strahlung wäre bei einer solchen Supernova hoch genug, um die Ozonschicht stark auszudünnen“, so die Forschenden. „Der durch eine Sternexplosion verursachte Ozonschwund ist langlebig und global und führt daher sehr wahrscheinlich zu einem Massenaussterben.“
Noch viele Fragen offen
Ob es eine solche Supernova vor 359 Millionen Jahren aber tatsächlich gab, ist noch offen. Weil das Supernova-Isotop Eissen-60 nur eine Halbwertszeit von 2,6 Millionen Jahren hat, hilft es in diesem Fall nicht weiter. Es gibt aber weitere, langlebigere Isotope, die in Sternexplosionen entstehen und daher eine so weit zurückliegende erdnahe Supernovae anzeigen könnten. Dazu gehören das Plutonium-Isotop 244Pu und Samarium-146 (146Sm). „Wenn wir diese Radioisotope auf der Erde nachweisen, wissen wir, dass sie aus einem solchen Ereignis stammen – sie wären der rauchende Colt einer nahen Supernova“, erklärt Fields.
In jedem Fall legen diese Studien und Funde nahe, dass auch unser Planet im Laufe seiner Geschichte wahrscheinlich einige nahe Supernovae überstanden hat. Immerhin hat es während Entwicklung des irdischen Lebens offenbar keine Sternexplosion innerhalb der tödlichen Distanz gegeben – sonst wären wir heute nicht hier.