Spätestens im Jahr 2003 sorgte jedoch ein neues Projekt der „Ölbarone“ für Empörung bei den Umweltschutzorganisationen. Von der Mittelplate aus sollte eine 7,5 Kilometer lange Pipeline gebaut werden, um Rohöl zur Landstation Dieksand zu transportieren. Dies mache, so der WWF damals, den Nationalpark unglaubwürdig und führe zu einem weiteren Großeingriff in das hochempfindliche Ökosystem.
„Die Hoffnung auf eine mittelfristige Beendigung der Ölförderung und eine Schließung der industriellen Förderanlage im Wattenmeer ist nun, entgegen den Prognosen des Landesbergamtes, in weite Ferne gerückt“, kommentierte der Wattenmeerexperte Hans Ulrich Röser vom WWF, die am 16. Oktober 2003 vom Landesbergamt Clausthal-Zellerfeld mit einem so genannten Planfeststellungsbeschluss erteilte Genehmigung für den Bau der Pipeline.
Salamitaktik im Nationalpark
Der WWF fürchtet vor allem Störungen der Brut- und Rastvögel durch die Nutzung von schwerem Gerät beim Bau der Pipeline, die zwischen fünf und 25 Metern unter dem Wattboden in den Untergrund getrieben wird. Doch das ist längst noch nicht alles. Der WWF sieht in der Genehmigung sogar einen „Ausverkauf auf Raten“ für das sensible Naturschutzgebiet.
„Wie von einer Salami schneiden sich die Ölfirmen scheibchenweise ein Stück nach dem anderen aus dem Nationalpark heraus“, so Rösner. „Kurz nach Gründung des Nationalparks wurde 1986 die Ölförderinsel gebaut. Und seitdem kam es immer wieder zu umfangreichen seismischen Messungen im Watt.“ Sie waren die Grundlage für eine stetige Ausweitung des Förderbetriebes und die damit verbundene Unruhe im Schutzgebiet.
Dies sehen die Manager im Mittelplate-Konsortium allerdings ganz anders. Für sie ist der Bau der Pipeline ein Meilenstein auf dem Weg zu einem schnelleren Ende der Erdölförderung im Wattenmeer. Mehr als zehn Jahre früher als geplant, so RWE Dea und Winterschall, könnten die Erdölreserven im Untergrund durch den Trassenbau ausgebeutet sein.
Kritiker des Projektes vermuten hinter dem Umweltargument jedoch eher wirtschaftliche als ökologische Interessen der beteiligten Firmen. Denn in der Erdölbranche gilt die Devise: Je kürzer die Förderdauer, desto lukrativer das Geschäft und damit auch der Gewinn.
Fakt ist, dass die Öltransportkapazität auf dem Wasser – im Einsatz sind drei doppelwandige Spezialschiffe – aufgrund der Gezeiten und der Größe des Bohrinsel-eigenen Vorratstanks nahezu ausgereizt ist. Durch die Pipeline, so die Macher der Erdölkonzerne, ließe sich die Erdölproduktion von heute 800.000 Tonnen pro Jahr auf bis zu 1,4 Millionen Tonnen erweitern. Entsprechend schneller gingen die Reserven zur Neige und ein Rückzug aus dem Wattenmeer sei möglich. Auf einen vom WWF geforderten definitiven Termin für den Ausstieg aus der Ölförderung im Nationalpark haben sich die Firmen bisher allerdings nicht eingelassen…
Gibt es einen „ökologische Gesamtnutzen“?
Die Verkürzung der Förderdauer ist jedoch längst nicht das einzige Argument, mit dem das Mittelplate-Konsortium die Angriffe der Pipeline-Gegner abzuschmettern versucht. Sie rechnen vor, dass durch die Pipeline jährlich 1.000 Öltransporte mit den speziellen Schubverbänden zum Hafen Brunsbüttel ersatzlos wegfallen und betonen, dass der erhebliche „ökologische Gesamtnutzen“ gegenüber dem „kurzfristigen Eingriff in die Natur“ überwiegt.
Die massiven Proteste der Umweltschützer hatten scheinbar jedoch zunächst Erfolg. Statt die Pipeline wie geplant schon im Jahr 2004 zu bauen, lenkte das Mittelplate-Konsortium ein und erarbeitete erst einmal ein neues verbessertes Konzept für die Pipeline-Verlegung, das den Umwelt- und Naturschutzaspekt angeblich besser berücksichtigen sollte.
Seit Anfang des Jahres 2005 wird nun im Wattenmeer aber doch bereits an der zweirohrigen Trasse gebaut. Inzwischen ist die Pipeline bereits verlegt. Auch die Pipeline-Anbindung der Bohr- und Förderinsel Mittelplate an die Öl-Aufbereitungsanlagen der Landstation Dieksand ist im seeseitigen Bereich schon erfolgt. Bis zum Spätherbst 2005, so das Betreiber-Konsortium, soll das Projekt dann komplett abgeschlossen sein.
Dann wird noch mehr Erdöl auf der Mittelplate nach oben gepumpt und anschließend durch die Rohre der Pipeline fließen. Zum Wohl des Konsortiums, aber auch ohne Schaden für die Natur?
Stand: 24.06.2005