Bei rheumatischen Erkrankungen entzünden sich verschiedenste Gewebe im Körper und heilen von alleine nicht wieder ab. Betroffen sind vor allem die Gelenke, aber auch andere „harte“ Strukturen wie Knorpel und Knochen sowie „weiche“ Gewebe wie Muskeln, Bänder und Sehnen. Darüber hinaus können auch die Nerven, die Blutgefäße und nahezu alle Organe geschädigt werden. Durch die dauerhafte Entzündung schmerzen die betroffenen Stellen, die Gelenke werden mit der Zeit weniger beweglich.
Im Einzelnen können die Symptome und Ursachen jedoch sehr unterschiedlich sein. Mediziner unterteilen die rheumatischen Erkrankungen daher in Gruppen mit ähnlichem Krankheitsbild.
Wenn der Körper sich selbst angreift
Eine der häufigsten Rheuma-Formen in Deutschland ist die rheumatoide Arthritis. Dabei handelt es sich um eine entzündlich-rheumatische Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise körpereigenes Gewebe attackiert, so dass es sich entzündet. Wesentlich daran beteiligt sind wahrscheinlich bestimmte Immunzellen, die Lymphozyten, die eigentlich spezifisch körperfremde Strukturen erkennen und angreifen. Bei Rheuma funktionieren diese Immunzellen allerdings falsch, wie eine Studie mit Schwangeren zeigt. Bei den Probandinnen mit rheumatoider Arthritis nahm während der Schwangerschaft die Lymphozytenzahl im Blut ab. Dadurch „ließen die Symptome nach oder verschwanden sogar“, berichtet Peter Villiger vom Inselspital Bern.
Aber wie kommt es zu dieser Fehlsteuerung der Immunzellen? Auslöser sind wahrscheinlich bestimmte Botenstoffe aus der Gruppe der Interleukine, die in den betroffenen Gelenken verstärkt vorkommen. Dazu, dass diese Botenstoffe entstehen, können verschiedene Faktoren beitragen. „Die Autoimmunität hat diverse mögliche Ursachen wie bakterielle oder virale Infektionen, Arzneistoffe, Giftstoffe, Störungen der Immunregulation sowie genetische Prädispositionen“, so die Rheumaliga Schweiz.
Es gibt aber offenbar auch Proteine, die die schädigende Wirkung der Interleukine verhindern können, wie Forschende herausgefunden haben. Basierend darauf entwickeln sie derzeit einen Impfstoff gegen rheumatoide Arthritis (doi: 10.1073/pnas.2025257118). Bislang gibt es keine Impfungen gegen diese oder andere Rheuma-Arten.
Symmetrisch geschwollene Gelenke
Durch die Fehlfunktion greift das Immunsystem der Rheuma-Patienten die Innenhaut von Gelenken, Sehnenscheiden oder Schleimbeuteln an, die dadurch mit der Zeit immer mehr vernarben. Das kann an Händen, Füßen, Knien, Schultern oder auch Hüften vorkommen. Mit weiterem Fortschreiten können auch Knorpel und Bänder dieser Gelenke geschädigt werden. „Die chronischen Entzündungen schränken die Funktion der betroffenen Gelenke empfindlich ein und können sie auf Dauer komplett zerstören“, erklärt die Rheumaliga Schweiz. Das tut nicht nur weh, sondern schränkt auch die Beweglichkeit der Patienten erheblich ein. Charakteristisch für die rheumatoide Arthritis sind Schmerzen und Schwellungen in symmetrischen Geweben – also beispielsweise dieselben Fingergelenke an den beiden Händen.
Darüber hinaus gibt es aber noch weitere rheumatisch-entzündliche Autoimmunerkrankungen. Ein Beispiel ist Morbus Bechterew, bei der ein spezieller Erkennungsfaktor des Immunsystem verändert ist. In der Folge attackiert das Immunsystem speziell die Gelenke und Bänder der Wirbelsäule. Unbehandelt entsteht so ein Buckel. Bei selteneren Formen von Autoimmun-Rheuma sind ganze Organe statt Gelenken betroffen, beispielsweise bei „Kollagenosen“ wie Systemischem Lupus erythematodes.
Arthrose: wenn der Knorpel verschleißt
Andere rheumatische Gelenkerkrankungen wie die Arthrose gehen auf den Verschleiß von Gelenkknorpeln zurück, die mit der Zeit immer dünner werden bis schließlich Knochen auf Knochen reiben. Das passiert mit dem Alter auf natürliche Weise, kann aber bei Arthrose-Patienten auch schon in jungen Lebensjahren auftreten und nicht rückgängig gemacht werden. Häufige Ursache sind dann laut Deutscher Arthrosestiftung Überbelastung, Fehlstellungen oder Verletzungen. Aber auch eine genetische Veranlagung gilt als wahrscheinlich.
Bei Arthrose und Co kann es in der Folge des Verschleißes ebenfalls zu schmerzhaften Entzündungen in den Gelenken kommen, diese sind aber nicht Auslöser und Treiber der Erkrankung. Anders als bei den entzündlich-rheumatischen Autoimmunerkrankungen kommen bei Arthrose Entzündungen zwar häufig, aber nicht zwingend vor. Charakteristisch ist vielmehr der fortschreitende Knorpelverlust.
Gicht und andere Stoffwechselerkrankungen
Auch einige Stoffwechselstörungen können Rheuma-Symptome hervorrufen. Ausgelöst werden diese Rheuma-Arten durch Stoffwechselprodukte, die vom Körper der Betroffenen nicht richtig abgebaut oder ausgeschieden werden, so dass sie sich anhäufen.
Bekanntestes Beispiel ist die Gicht, bei der sich Harnsäure im Blut ansammelt. Bei der ähnlich häufigen Pseudogicht, auch Chondrokalzinose genannt, ist es das Pyrophosphat. Beide Stoffwechselmoleküle lagern sich als Kristalle in den Gelenken und im Bindegewebe ab und verursachen so die rheumatypischen schmerzhaften Entzündungen. Diese Krankheiten können sowohl genetisch bedingt sein oder durch einen ungesunden Lebenswandel hervorgerufen werden. Möglich ist auch eine Kombination beider Faktoren.
Weichteilrheumatismus
Eine weitere Gattung der rheumatischen Erkrankungen betrifft nicht die Gelenke, sondern Weichteile wie Muskeln und Sehnen. Auch sie geht mit chronischen Schmerzen, steifen Körperteilen und Abgeschlagenheit einher. Auslöser sind in diesem Fall aber nicht Entzündungen, sondern eine gestörte Schmerzwahrnehmung und Schmerzverarbeitung im Gehirn.
Prominentes Beispiel ist die Fibromyalgie, auch Weichteil- oder Muskelrheuma genannt. Wie Forschende herausfanden, sind dabei kleine schmerzleitende Nervenfasern in der Haut geschädigt. „In allen (…) Testverfahren fanden sich bei Patienten mit Fibromyalgie-Syndrom deutliche Zeichen für eine Schädigung der kleinen Nervenfasern“, berichtet Nurcan Üçeyler von der der Universität Würzburg. Die genaueren Ursachen und Risikofaktoren dieser Erkrankung sind nicht bekannt, vermutet werden aber auch hierbei genetische und weitere Faktoren.