Die Tibetkrise im März dieses Jahres hat die Aufmerksamkeit der Welt auf eine Region gelenkt, die oft verklärt wird: Rucksack-Touristen und Esoteriker fühlen sich von unberührter Natur ebenso angezogen wie vom tibetischen Buddhismus, der, kaum hinterfragt, als friedfertigste aller Religionen gilt. Tibet selbst wird als geradezu „heiliges Land“ verehrt.
Der international populären Toleranz tibetischer Mönche und dem naturnahen Leben der tibetischen Nomaden gegenüber steht dabei immer wieder die gewaltbereite Repressionspolitik Chinas, die das politische und religiöse Selbstverständnis der Tibeter und deren Menschenrechte ignoriert und gezielt verletzt. Die Rollen von Gut und Böse scheinen klar verteilt.
Definition schwierig
Angelpunkt der Tibet-Problematik ist dabei stets der Status der Region. Doch tun sich bereits bei der Definition „Tibets“ erste Schwierigkeiten auf. Geographisch erstreckt sich das Hochland von Tibet über einen Großteil des Himalaya, etwa 2,5 Millionen Quadratkilometer. Es liegt auf durchschnittlich 4.500 Metern Höhe und ist damit der höchst gelegene besiedelte Lebensraum der Erde überhaupt.
Begrenzt wird das tibetische Hochland im Süden von den Gebirgsketten des Himalaya, im Westen vom Karakorum, im Norden vom Kunlun Shan und im Osten von den osttibetisch-chinesischen Gebirgszügen. Nachbarländer sind Indien, Nepal, Bhutan und Birma. Kulturell-ethnographisch sind jedoch der Westtibet und Zentral- und Südtibet grenzüberschreitend und erstrecken sich in die Nachbarländer Indien beziehungsweise Bhutan und China.
Das heutzutage als „Autonome Region Tibet“ oder TAR bezeichnete Gebiet, die südöstlichste Provinz Chinas, umfasst lediglich die Hälfte der Fläche des Tibetischen Hochlands. Die zum geographischen Tibet gehörenden östlichen und nördlichen Ausläufer des Hochlandes sind administrativ den chinesischen Provinzen Qinghai, Sichuan, Yunnan und Gansu zugeordnet.
Tradition oder Völkerrecht?
Völkerrechtlich ist der Status Tibets umstritten. Die USA betrachten sowohl die Autonome Region Tibet als auch die chinesischen Provinzen Qinghai und Sichuan als von China besetztes Land und haben die tibetische Exilregierung und den Dalai Lama im indischen Dharamsala als Repräsentanten des Staates Tibets anerkannt. In Deutschland hingegen wird der Tibet als Teil des chinesischen Staatenverbundes angesehen, wenngleich der Anspruch auf kulturelle und religiöse Autonomie des tibetischen Volkes unterstützt wird. Russland akzeptiert die Zugehörigkeit Tibets zu China und betrachtet das Problem als innerchinesische Angelegenheit.
In Chinas Augen gehört der Tibet bereits seit 700 Jahren, seit dem Ende der Mongolenherrschaft, zu China und ist seitdem nie ein unabhängiger Staat gewesen. Tibet dagegen sieht sich von jeher als unabhängigen Staat, auch wenn das Hochland immer wieder unter dem Einfluss benachbarter Großmächte gestanden hat. „Kaum ein Staat in der Welt wurde nicht von Zeit zu Zeit von Fremden dominiert und beeinflusst,“ so Thubten Samphel, der Presse-Chef des Dalai Lama gegenüber der BBC. „Im Falle Tibets waren sowohl Grad als auch Dauer fremder Einflussnahme relativ begrenzt.“
Stand: 30.08.2008