Vorbild für die Flöße der Kon-Tiki 2-Expedition sind Jahrhunderte alte Zeichnungen von Inka-Flößen und archäologische Funde, die an der Westküste Südamerikas gemacht wurden. Außerdem gehen sie auf die Balsaholz-Flöße der Manteño zurück, den Händlern und Seefahrern, die zwischen 800 und 1526 die Küste Ecuadors besiedelten.
Abgucken bei Inkas und Chinchos
In Monaten des Testens und Tüftelns entwickelten Expeditionsleiter Torgeir Higraff und Forscher der der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie (NTNU) schließlich die endgültige Floßkonstruktion. „Wir stellten fest, dass das Abrunden der Stammenden die Geschwindigkeit erhöhte“, berichtet Håvard Holm von der NTNU. Denn dadurch werden im Wasser weniger bremsende Turbulenzen erzeugt. „Und wir hatten einen ‚Aha‘-Moment, als wir merkten, dass die Form des Bugs und der Abstand zwischen den Balken gar keine Rolle spielte.“
Ebenfalls auf archäologischen Funden beruht die Lenkvorrichtung der Flöße: „Entlang der Küste, an der die präkolumbianische Chincha-Kultur lebte, haben Archäologen hunderte von hölzernen Brettern in Gräbern gefunden“, erzählt Higraff. „Typischerweise sind diese 1,50 bis 2 Meter lang und bestehen aus Hartholz.“ Lange galten sie als fälschlicherweise als rituelle Beigaben, Skulpturen oder ähnliches. „In Wirklichkeit sind dies jedoch Schwerter, mit denen die Flöße gesteuert wurden, von den Konquistadoren später Guares genannt.“
20 Stämme und ein Mast
Jedes der beiden Flöße besteht aus elf Balken aus Balsaholz, die 17 Meter lang sind. Quer darüber sind neun Querbalken befestigt, die die Konstruktion stabilisieren. Vertäut wird das Ganze mit mehr als zwei Tonnen Seilen. Der Mast der Flöße ist 15 Meter hoch und trägt ein 90 Quadratmeter großes Segel. Die Deckplattform trägt am hinteren Ende die mit Segeltuch verhängte Hütte. Vorne und hinten können zum Steuern die beiden Guara-Schwerter ins Wasser abgesenkt werden.
Immerhin 20 Tonnen wiegt jede dieser schwimmenden Inseln im Leerzustand. Auf den ersten Blick erscheinen solche Flöße dem klassischen Segelboot mit hohlen Rumpf unterlegen, sind sie doch viel schwerfälliger und langsamer. Das trifft zwar zu, aber ein Floß bietet zumindest in einem Punkt einen entscheidenden Vorteil: Es ist fast unsinkbar, vorausgesetzt es bricht nicht komplett auseinander: „Wenn ein Segelboot etwas rammt, kann es sinken, denn es ist schwerer als Wasser“, erklärt Higraff. „Ein Floß aber schwimmt dann noch immer.“
Rückreise über die „Wilden Vierziger“
Schnell geht es mit den Flößen nicht unbedingt voran: Im Durchschnitt sind die Rahiti Tane und die Tupac Yupanqui bisher mit zwei Knoten auf dem Pazifik unterwegs, dies entspricht 3,7 Stundenkilometern und damit einem gemächlichen Schritttempo. Kein Wunder, dass die 5.000 Kilometer lange Hinreise vom peruanischen Hafen Callao zur Osterinsel sechs Wochen dauert.
Die Rückreise beginnt am 1. Januar 2016 und könnte deutlich unruhiger werden. Denn die beiden Flöße werden von der Osterinsel zunächst fast tausend Kilometer direkt nach Süden segeln, bis sie die berüchtigten „Roaring Forties“ erreichen. In diesem Bereich zwischen 40 und 50 Grad südlicher Breite erleichtert ein starker Westwind die Fahrt nach Osten, aber häufige Stürme und unbeständiges Wetter bedeuten gleichzeitig erhöhte Gefahr für die Floß-Segler.
„Wir enden dann in den kalten Wassern des Humboldt-Stroms – und werden damit etwas erreicht haben, das zu modernen Zeiten keiner geschafft hat“, konstatiert Higraff.
Nadja Podbregar
Stand: 11.12.2015