Die kilometerdicke Eiskruste des Jupitermonds Europa spielt für die Frage nach Leben eine Doppelrolle. Denn einerseits wirken sie wie eine schützende Decke: Sie schirmen den subglazialen Ozean gegen die Kälte des Weltraums und auch gegen die harte, tödliche Strahlung ab. Außerdem ist die Eiskruste gemeinsam mit dem Kerngestein vermutlich der Hauptlieferant für chemische Bausteine des Lebens. Denn Meteoriteneinschläge, Strahlung und Teilchen von Jupiter und Sonnenwind hinterlassen einen Film aus chemischen Substanzen auf dem Oberflächeneis.
Die Frage des Sauerstoffs
Und auch Sauerstoff entsteht so: Die Strahlung spaltet Wassermoleküle des Eises auf und setzt so Sauerstoff frei. Ist die Eisdecke dünn genug, können diese Substanzen und Gase durch die periodisch entstehenden Risse in den darunterliegenden Ozean gelangen – aber eben nur, wenn die Kruste durchlässig genug ist. „Eine Ansicht in der wissenschaftlichen Gemeinschaft war bisher, dass eine dicke Eiskruste schlecht für die Biologie ist“, erklärt Britney Schmidt von der University of Texas in Austin. Und die Eiskruste von Europa ist mit mindestens rund zehn Kilometern Dicke nicht gerade ein hauchdünnes Häutchen.
Bereits 2010 haben Forscher des Lunar and Planetary Laboratory der University of Arizona in Tucson für dieses Problem eine erste Lösung vorgeschlagen: Wie sie in Modellrechnungen ermittelten, könnte durchaus genügend Sauerstoff von der Eisoberfläche in den subglazialen Ozean gelangen – es ist nur eine Frage der Zeit. Denn die durch die Gezeitenkräfte verursachten Bewegungen der Eiskruste könnten dafür sorgen, dass diese immer wieder aufreißt, frischgefrorenes Eis an die Oberfläche gelangt und dafür andere Teile der Oberflächenschicht in die Tiefe gedrückt werden.
Ausreichend Umwälzungen?
Dass bis heute solche Umwälzungsprozesse stattfinden, ist gut erkennbar an den zahlreichen frischen Wülsten und Nähten, die Europas Oberfläche überziehen. Und hier setzt das Szenario der Forscher an: Sie gehen davon aus, dass zunächst Sauerstoff nur an der Oberfläche existierte. Aber im Laufe von rund einer bis zwei Milliarden Jahren solcher Bestrahlung und Umwälzung könnte freier Sauerstoff über die gesamte Dicke der Eiskruste untergemischt worden sein, wie ihre Modelle zeigen.
Auf der Unterseite der Eiskruste auf Europa, an der Grenzschicht zwischen Wasser und Eis, findet unterdessen ein ständiger, schnellerer Wechsel von Auftauen und Gefrieren statt, ähnlich dem an der Unterseite von Eisschollen in unseren irdischen Ozeanen. Nach Schätzungen der Wissenschaftler könnte dieser Austausch an der Eis-Wasser-Grenze schon innerhalb einer halben Million Jahren genügend Sauerstoff im Ozeanwasser gelöst haben, um einen Minimalwert der Sauerstoffsättigung zu erreichen.
Lebensfreundlich nach kleiner Anlaufzeit
Auf der Erde würde dieser Wert ausreichen, um bereits kleine Krebstiere am Leben zu erhalten. Nach nur zwölf Millionen Jahren könnte die Sauerstoffsättigung dann das Niveau unserer Erdmeere erreicht haben und damit auch für die größten aeroben Lebensformen genügen. Das Praktische daran: Die sauerstofffreie Anlaufzeit von einem bis zwei Milliarden Jahren könnte Europa genau die Zeit verschafft haben, die die Evolution des Lebens benötigt.
Denn auch auf der Erde bildeten sich die ersten Lebensbausteine zunächst ohne den chemisch eher aggressiven Sauerstoff. Erst als schon die ersten Einzeller existierten, änderten sich die Bedingungen und ein steigender Sauerstoffgehalt der Atmosphäre schuf die Voraussetzungen auch für die Bildung höherer Lebensformen. Nach Ansicht der Wissenschaftler ist es daher keinesfalls ausgeschlossen, dass der Ozean unter dem Eis des Jupitermonds Europa genügend Sauerstoff enthält, um selbst größere Lebensformen zu ermöglichen.
Nadja Podbregar
Stand: 21.02.2014