Noch nie in der Geschichte der modernen Naturwissenschaften war der Weg von der wissenschaftlichen Entdeckung zur technisch-industriellen Anwendung so kurz wie heute, selten lagen die reine Grundlagenforschung und ihre wirtschaftliche Umsetzung so nahe beieinander. Auch an den Universitäten hängt die Forschung heute oft direkt von anwendungs- und profitorientierter Drittmittelförderung ab. Kann man angesichts dieser Situation von einem Wissenschaftler überhaupt verlangen, dass er auf eine möglicherweise lukrative aber riskante Technologie verzichtet und sich damit den eigenen Geldhahn zudreht?
Schon jetzt beginnen einige Wissenschaftler, die selbst in wirtschaftlich starken Bereichen wie der Biotechnologie oder der Nanotechnologie forschen, vor den möglichen Folgen dieser Entwicklung für die Wissenschaftsethik zu warnen. Sie befürchten, dass die Forschung ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft vernachlässigen könnte. Auch das Ethikgremium der Unesco äußert Bedenken: „Die traditionelle Autonomie der Wissenschaft war eine Art Sicherheitsnetz für die Gesellschaft: Wenn es Hinweise darauf gab, das eine bestimmte soziale oder wirtschaftliche Entwicklung eine Gefahr bedeuten könnte, konnte man auf die Wissenschaft als Frühwarnsystem zählen. Wissenschaftler waren gute „Whistle-Blower“. Riskieren wir, diese Qualität zu verlieren?“
Noch scheint es, als gebe es noch immer einige Forscher, die kritisch und unabhängig genug sind, um die Öffentlichkeit auf mögliche Gefahren beispielsweise der Gentechnik aufmerksam zu machen. Einer von ihnen ist sicher der Genforscher Rudolph Jaenisch, der auf der Konferenz der Klonforscher am 7. August 2001 nachdrücklich die Position des Mahners vertrat – und damit zumindest die vollmundigen Versprechungen der „Kloner“ Antinori und Zavos relativierte.
Nach Ansicht von John Ziman hat der Prozess der Ökonomisierung – und damit auch der Untergrabung der Wissenschaftsethik – jedoch bereits begonnen: „Die akademische Wissenschaft erlebt eine kulturelle Revolution. Sie wird mehr und mehr abgelöst von einer „post-akademischen Forschung“, die sich nicht nur in soziologischer und philosophischer Hinsicht unterscheidet, sondern auch eine andere Art von Erkenntnissen und Ergebnissen produzieren wird.“
Erste Beispiele dafür gibt es bereits: Wissenschaftler, die an Therapien für seltene Krankheiten forschen, bekommen wenig oder keine Drittmittel. Für Pharmakonzerne sind solche Therapien nicht lukrativ, Geld wird mit Massenarzneimitteln gemacht. Im Bereich der Biotechnologie dagegen ist der Run auf Genpatente in vollem Gange, mit der Aussicht auf mögliche spätere Gewinne fließen hier die Gelder fast unbegrenzt…
Stand: 21.08.2001