Wenn es um die kosmische Expansion geht, verdient die Rotverschiebung eine besondere Aufmerksamkeit. Denn die Wellenlänge des Lichts, das von einem weit entfernten Objekt zu uns unterwegs ist, wird während seiner Milliarden Jahre dauernden Reise durch die Ausdehnung des Universums gestreckt: Das Licht, das bei uns ankommt, ist im Vergleich zu dem Licht, das ausgesandt wurde, um denselben Faktor ins den roten Wellenbereich verschoben, um den sich das Universum seit der Emission des Lichts ausgedehnt hat.
Rotverschiebung als Messlatte
Bei genauerer Betrachtung der Rotverschiebung ergibt sich, dass ihre zeitliche Veränderung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Expansionsgeschichte des Universums steht. Dieser Zusammenhang bedarf keinerlei kosmologischer, astrophysikalischer oder sonstiger Modellannahmen, sondern beruht allein auf der globalen Dynamik des Universums. So wie die Rotverschiebung selbst allein deshalb auftritt, weil das Universum sich ausdehnt, so tritt ihre zeitliche Veränderung allein deshalb auf, weil sich die Geschwindigkeit der Ausdehnung verändert.
Diese Tatsache erlaubt es zumindest prinzipiell, dem Universum sozusagen in Echtzeit dabei zuzusehen, wie die Ausdehnung im Verlauf der Geschichte des Universums vorangeschritten ist. In der Praxis ist eine Messung dieses Effekts mit großen Schwierigkeiten behaftet. Nicht zuletzt fehlt heutigen Teleskopen die nötige Lichtsammelkapazität, um die erforderliche Messpräzision zu erreichen.
Neue Chance durch das Extremely Large Telescope
Dies wird sich jedoch demnächst ändern. Bis 2024 entsteht unter der Leitung der Europäischen Südsternwarte (ESO) in der chilenischen Atacama-Wüste das weltgrößte Teleskop. Mit einem Durchmesser des Primärspiegels von 39,3 Metern wird das Extremely Large Telescope (ELT) viele Bereiche der Astrophysik revolutionieren – und zum Zugpferd der optisch-infraroten Astronomie der nächsten Jahrzehnte schlechthin werden. Insbesondere jedoch wird uns dieses Riesenteleskop zum ersten Mal ermöglichen, Echtzeit-Kosmologie zu betreiben!
Von diesem ehrgeizigen Ziel ist die Astrophysik noch weit entfernt. Um die theoretisch vom ELT zu erwartende Präzision in der Praxis auch tatsächlich realisieren zu können, bedarf es insbesondere eines hochauflösenden Spektrografen mit einigen besonderen Eigenschaften. Die Entwicklung eines solchen Instruments sowie entsprechender Beobachtungsmethoden bilden daher derzeit den Schwerpunkt der Forschungs- und Entwicklungsarbeit in internationaler Kollaboration. Langfristig ist das Ziel dieses Projekts, die Ära der Echtzeit-Kosmologie einzuleiten und so dazu beizutragen, eines der größten Rätsel der modernen Physik zu lösen.
Autor: Prof. Dr. Jochen Liske, Hamburger Sternwarte der Universität Hamburg/ DFG Forschung