In die weltweite CO2-Bilanz des Agrosprits fließt noch ein wichtiger Faktor ein: die Anbaufläche. Der Spritverbrauch der Welt ist riesig und wächst stetig weiter – damit wächst auch der Bedarf an Biospritpflanzen. Diese müssen irgendwo angebaut werden, es ist also auch immer mehr landwirtschaftliche Fläche nötig.
Spritpflanzen verdrängen grüne Lunge
In Argentinien und Brasilien fällt darum der Regenwald mehr und mehr dem Sojaanbau zum Opfer. Der indonesische Urwald muss in immer größeren Stücken den Palmölplantagen weichen. Damit verschwinden aber auch große Teile der „grünen Lunge der Erde“: Die tropischen Regenwälder gehören zu den wichtigsten Puffern, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen und langfristig fixieren.
Fallen diese CO2-Speicher auf Kosten des Agrosprits weg, so verschlechtert sich auch dessen Klimabilanz. Biodiesel und E10 sind so alles andere als klimaneutral. Der Verlust der Regenwaldflächen wirkt sich sogar noch stärker aus als bisher gedacht. Die übrigbleibenden kleinen Flächen sind nämlich wesentlich weniger effektiv als ein zusammenhängendes Stück Regenwald der gleichen Gesamtfläche.
Palmöl gefährdet Orang-Utans
Nicht zuletzt leiden auch Tier- und Pflanzenwelt unter dem ausufernden Öl-Anbau. Der Lebensraum im indonesischen Torfwald schrumpft immer weiter – dort sind es vor allem Ölpalmen, die auf immer neuen gerodeten Flächen angepflanzt werden. Der schwindende Lebensraum ist insbesondere für die ohnehin schon bedrohten Orang-Utans in Indonesien eine große Gefahr.
Palmöl ist in den letzten Jahren darum zunehmend in die Kritik geraten. Das billige Pflanzenfett dient nicht nur als Grundlage für Biodiesel. Auch in der Lebensmittelindustrie ist es eine beliebte Zutat, vom Frittierfett bis zur Schokoglasur. Außerdem ist es Ausgangsstoff für Kosmetika wie Seife.
Schlechte Bilanz für Biosprit
Berechnet man all diese Faktoren in die Klimabilanz des Agrotreibstoffs mit ein, so steht er plötzlich gar nicht mehr so klimafreundlich da: Je nach Rechenmethode ist die Klimabilanz von Biodiesel und Co sogar bis zu zweieinhalb Mal schlechter als von Mineralöl-Kraftstoff. Unter diesen Umständen fordern sogar Klimaschützer, die gesetzliche Beimischungspflicht von Biosprit wieder abzuschaffen.
CO2-Zertifikate sollen darum sicherstellen, dass die Rohstoffe für den Agrosprit tatsächlich nachhaltig angebaut wurden. Über Sinn und Glaubwürdigkeit solcher Zertifikate streiten verschiedene Gruppen allerdings bereits seit Jahren: Umweltschützer werfen Spritproduzenten vor, ihre Bilanzen künstlich schönzurechnen. Aus Sicht der Spritproduzenten wiederum sind die verlangten Bedingungen zu strikt und zu kleinlich verfasst – man könne nicht die vorherige Vegetation auf einem Feld für die Bewertung der aktuellen Ernte heranziehen.
Ansgar Kretschmer
Stand: 30.04.2015