Die meisten Analytiker gehen in ihren Prognoserechnungen davon aus, daß die Bevölkerungszuwachsraten eines Tages stagnieren; lediglich die Größe der zukünftigen Bevölkerung ist ungewiß. Bei der Berechnung von Prognosen geht es um die Frage nach dem Rückgang der Geburtenzahlen. Tatsächlich ist die Anzahl der Kinder pro Frau, also die Fruchtbarkeitsrate, in vielen Entwicklungsländern seit 1970 rückläufig. Die Verbreitung von Verhütungsmethoden hat offensichtlich Wirkung gezeigt.
Hat das Weltbevölkerungswachstum also bereits sein Ende gefunden? Wohl kaum, denn blieben die heutigen Wachstumsraten konstant, würden im Jahr 2150 27 Milliarden Menschen auf der Erde leben! Ein Rechenspiel, das Horrorszenarien entstehen läßt: Hungersnöte und Krankheiten würden sich schnell verbreiten. Eine solche Entwicklung wäre schlichtweg nicht tragbar.
Das bedeutet, daß das Ziel einer Bevölkerungsstabilisierung, also einer Bevölkerung, die weder wächst noch schrumpft, noch lange nicht erreicht ist. Die Zahl der Geburten muß weiterhin kontinuierlich sinken, um dem Wachstum eine Grenze zu setzen. Die neuerdings wieder ansteigende Zahl der Sterbefälle in einigen Ländern, vor allem durch AIDS, kann nicht akzeptiert werden.
Bei Bevölkerungsprognosen werden üblicherweise mehrere Szenarien durchgespielt, wobei jeweils Annahmen verschiedener Geburten- und Sterberaten einbezogen werden. Diese Annahmen können nur aus dem bisher Bekannten gefolgert werden, zum Beispiel der Entwicklungsstufe eines Landes, den Erfolgen in der Bildung der Frau sowie der Verbreitung und kulturellen Akzeptanz von Familienplanung. Die Graphik zeigt drei mögliche Varianten der Bevölkerungsentwicklung.
Die „mittlere Variante“ der jüngsten UN-Prognose rechnet mit einer Bevölkerung im Jahr 2050 von 8,9 Milliarden Menschen. Um dies zu erreichen, muß in den Entwicklungsländern die sogenannte durchschnittliche Gesamtfruchtbarkeitsrate (Total Fertility Rate, TFR) von 2,1 Kindern pro Frau erreicht werden. In den Industrienationen liegt dieser Wert mit 1,6 bereits darunter. In den Entwicklungsländern beträgt die durchschnittliche Anzahl der Kinder pro Frau gegenwärtig 3,4. Die UN geht davon aus, daß die Gesamtfruchtbarkeitsrate von 2,1 zwischen 2025 und 2045 in den Entwicklungsländern, zuletzt in Afrika, erreicht wird. Ob diese mittlere Variante tatsächlich eintritt, läßt sich nicht genau bestimmen. Die Annahmen für diese Prognose stützen sich vor allem auf die Entwicklungen in den Industrieländern. Wer kann schon präzise sagen, wie sich die nächsten drei Generationen hinsichtlich der Kinderfrage verhalten werden.
Alternative Projektionen der UN zeigen aber, welche zahlenmäßigen Unterschiede sich bei abweichenden Kinderzahlen ergeben können. Zwei dieser Alternativen gehen zum Beispiel davon aus, daß die endgültige Fruchtbarkeitsrate fünf Prozent über, beziehungsweise unter dem Ersatzniveau liegen. Statt 2,1 würde dann der TFR-Wert bei 2,17 beziehungsweise bei 1,96 liegen. Diese scheinbar so kleinen Unterschiede haben gewaltige Auswirkungungen auf das Bevölkerungswachstum. Anhand unterschiedlicher Annahmen der weltweiten Fruchtbarkeitsrate und der daraus hervorgehenden Bevölkerung bis zum Jahr 2150 (Langfrist-Projektion der UN) wird dies deutlich.
Eine hohe oder auch nur leicht steigende Fruchtbarkeitsrate führt zu einem bedeutend höheren Bevölkerungswachstum. Ein Rückgang der Geburtenzahlen muß also weiterhin Priorität haben. Für das Eintreten der mittleren Variante gibt es jedoch einige Hinweise. In vielen Entwicklungsländern werden weniger Kinder geboren. Es gibt gute Gründe anzunehmen, daß sich die Fruchtbarkeit in allen Ländern nach ähnlichen Mustern verändern wird. Trotzdem ist es unbedingt notwendig, daß Prognosen immer wieder auf die Richtigkeit ihrer Annahmen überprüft werden, denn diese können sich ständig ändern. Letztendlich läßt sich mit ihnen nicht die Zukunft vorhersagen.
Stand: 21.11.2001