Klima

„Bitte nach dem Lesen löschen“

Klimaforscher als Heimlichtuer

Vollends ins Zwielicht geraten die Spitzenvertreter der Klimaforschung, als weitere Mails bekannt werden, in denen von Löschung von Daten die Rede ist. Bereits seit längerem wird die Climate Research Unit (CRU) dafür kritisiert, Rohdaten zu Studien nicht oder nur widerwillig herauszugeben. Die Offenlegung von Rohdaten gilt jedoch nicht nur als korrekte wissenschaftliche Praxis, in England gibt es zudem nach amerikanischem Vorbild den so genannten „Freedom of Information Act“. Dieses Gesetz verpflichtet öffentliche Institutionen dazu, auf Anfrage ihre Daten zur Verfügung zu stellen.

Entlarvend sind daher zahlreiche Mails von Jones an Kollegen, in denen er nicht nur explizit davon spricht, keine Daten herausgeben zu wollen, sondern auch diese darum bittet, ihrerseits Daten und Mails zu löschen. So diese Mail vom 21. Februar 2005 an Michael Mann: „Ich überlasse es dir, zu löschen was du für richtig hältst. P.S. Ich werde von einer Reihe von Leuten genervt, die die CRU-Stationsdaten der Temperaturen haben wollen. Verratet denen bloß nicht, dass wir in England einen Freedom of Information Act haben!“

Bitte lösche alle E-Mails... ©

„For Your Eyes Only“….

Geradezu wie aus einem Agentenroman klingen Formulierungen wie diese: „Dies ist nur für deine Augen bestimmt. Bitte lösche es nach dem Lesen!“ in einer Mail ebenfalls an Mann im Januar 2004. Und am 29. Mai 2008 bittet Jones Mann: „Kannst du bitte alle E-Mails löschen, die du mit Keith [Trenberth] bezüglich AR4 [dem vierten Weltklimabericht des IPCC] ausgetauscht hast? Keith wird das Gleiche tun.“

Da Jones, Mann und Trenberth zu den Leitautoren des vierten IPCC-Berichts gehören, wirft diese Heimlichtuerei kein allzu gutes Licht auf die Praxis der Datenerhebung und der Erstellung des Weltklimaberichts. Kaum sind diese E-Mails öffentlich, gerät daher auch das IPCC unter Beschuss.

In der Zeitung „Die Welt“ behaupten die bekannten deutschen Klimaskeptiker Dirk Maxeiner und Michael Miersch, das CRU hätte wichtige Rohdaten absichtlich gelöscht, um Interpretationen nicht mehr nachvollziehbar zu machen: „Die Berichte der IPCC basieren somit auf einer Art Geheimwissenschaft. Genau wie Legionen weiterer Klimastudien, die ebenfalls auf den Angaben der CRU aufbauen.“

Daten frei zugänglich?

Vor dem vom britischen Parlament eingesetzten Untersuchungsausschuss zum „Climategate“ verteidigt sich Phil Jones im Februar 2010 gegen die Vorwürfe der Konspiration und Heimlichtuerei. Die Verstöße gegen den „Freedom of Information Act“ (FOI) seien keine böse Absicht gewesen, sondern eine Mischung aus Überforderung und Fehleinschätzung der Situation, so der Forscher. Zudem seien die meisten Rohdaten ohnehin frei im Netz verfügbar, unter anderem auf den Servern des Historical Climatology Network in den USA.

Letzteres bestätigt auch der Untersuchungsausschuss, der einige der umstrittenen und angeblich gelöschten Daten sucht und damit Studien von Jones und Co nachvollzieht. „Es wurde sehr klar, schon früh, dass jeder diese Daten bekommen kann. Wir brauchten buchstäblich nur Minuten für den Download“, erklärt Peter Clarke, Professor für Physik an der Universität Glasgow und Mitglied des britischen Untersuchungsausschusses.

E-Mail-Anfragen als Waffe im Klimastreit? © SXC/NASA

FOI-Anfragen als Vorwand?

Gleichzeitig führt Jones vor dem Ausschuss an, ein Großteil der FOI-Anfragen sei nicht fachlich motiviert gewesen, sondern ein Versuch, die Arbeit der Wissenschaftler zu behindern: Im Juli 2008 habe die CRU beispielweise innerhalb von nur wenigen Tagen 40 ähnliche Anfragen erhalten. Jede fragte nach Rohdaten für fünf verschiedene Länder, so dass Jones und Co. insgesamt Stationsdaten aus 200 Ländern hätten raussuchen müssen. „Nach den FOI-Regeln muss man mindestens 18 Stunden Arbeit in jede Anfrage gesteckt haben, bevor man sie ablehnen darf“, so Jones. Diese Zeit wäre für die Forschungsarbeit verloren gegangen. Hinter dieser Anfragenflut vermutet Jones einen alten „Bekannten” im Klimastreit, Steve McIntyre, Wirtschaftswissenschaftler und Herausgeber der klimaskeptischen Website „Climate Audit“.

Verständnis für die Situation von Jones und Co. äußert im Dezember 2009 auch Klimaforscherkollege Thomas Stocker von der Universität Bern: „Man muss allerdings die Klimaforscher verstehen. Mit der Freigabe der Daten ist es ja meistens nicht getan. Man wird mit hunderten von E-Mails überhäuft, in denen um technische Hilfestellung bei der Handhabung der Daten gebeten wird“, so der Forscher in der „Neuen Zürcher Zeitung“. „Wenn diese Anfragen von Leuten kommen, die nichts anderes im Sinn haben, als einen zu wiederlegen, und deren Ton schnell aggressiv wird, ist die Geduld schnell einmal erschöpft.“

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. 9
  20. |
  21. 10
  22. |
  23. weiter

Nadja Podbregar
Stand: 10.12.2010

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

„Climategate“
Ein Super-GAU der Klimaforschung und die Folgen

Das "Climategate" im Web
Links und Videos zum Thema

Ein „schwarzer Donnerstag“
Der Hackerangriff auf die Climate Research Unit

Gibt es ein „Klimakartell“?
CRU-Hack bringt die Peer Review ins Zwielicht

„Bitte nach dem Lesen löschen“
Klimaforscher als Heimlichtuer

Streit um den „Hockeystick“
Temperaturen, Proxies und der Klimawandel

Der fatale „Trick“
Pfusch am Klimawandel-Symbol?

Wärmeinseln im Zwielicht
Das Rätsel der verschwundenen Stationsdaten

Freispruch - mit Einschränkungen
Das Urteil der parlamentarischen Untersuchungskommission

Was bleibt?
Die Spätfolgen des „Climategate“

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Klimagipfel: Durchbruch oder Debakel?
USA und China könnten Klimaschutzverhandlungen ausbremsen

Droht das Aus für das Kyoto-Protokoll?
Eine Einschätzung im Vorfeld der Klimaverhandlungen in Cancún

CO2-Emissionen: Rekordwerte für 2010 erwartet
Treibhausgas-Emissionen steigen weiter – trotz Wirtschaftskrise

Mehr als vier Grad Erwärmung trotz Klimaschutz
Klimaschutzziele von Kopenhagen reichen bei weitem nicht aus

Dossiers zum Thema