Die neurologischen Grundlagen der Aphantasie sind bisher kaum erforscht. Wissenschaftler beginnen gerade erst zu verstehen, was bei Menschen ohne Bilder im Kopf im Gehirn passiert. Eine entscheidende Frage dabei ist, an welcher Stelle der komplexen Abläufe bei der Verarbeitung und Rekapitulation von Sinneseindrücken etwas anders ist.

Ist die fehlende Introspektion das Problem?
Eine mögliche Erklärung wäre, dass das Problem auf der obersten Eben liegt, dem Bewusstsein: „Wir wollten wissen, ob bei Menschen mit Aphantasie wirklich das ‚geistige Auge‘ blind ist oder ob sie vielleicht nur Schwierigkeiten haben, sich ihr Innenleben bewusst zu machen“, erklärt Rebecca Keogh von der University of New South Wales. Letzteres würde bedeuten, dass ihr Gehirn zwar innere Bilder produziert, sie aber nicht bis ins Bewusstsein durchdringen.
Um das zu testen, nutzte, Keogh und ihr Team ein als binokulare Rivalität bekanntes Phänomen: Wenn unsere beiden Augen verschiedene Bilder sehen, beispielsweise mittels Rot-Grün-Brille auf einer Seite grüne waagerechte Streifen auf der anderen senkrechte, kann unser Bewusstsein nicht beide gleichzeitig abbilden. Es kommt zu einem „Wettstreit“ zwischen den Informationen beider Augen. Wir sehen dadurch abwechselnd mal das eine, mal das andere Bild.
Der Clou dabei: Welches Bild dominiert, lässt sich durch „Training“ beeinflussen. Im Versuch baten die Forscher ihre Testpersonen, sich schon vorher rote waagerechte Linien oder grüne senkrechte vorzustellen. Dann folgte der Test auf binokulare Rivalität. Das Ergebnis: Die Kontrollpersonen sahen jeweils das Bild häufiger und damit dominant, dass sie sich vorher vorgestellt hatte. Bei den Testpersonen mit Aphantasie war dies nicht der Fall. „Das deutet darauf hin, dass die Probanden kein Problem mit der Introspektion haben, sondern wirklich keine visuelle Vorstellungskraft haben“, erklärt Keogh. Denn dieser Test funktioniere auch dann, wenn innere Bilder entstehen, aber nicht „erkannt“ werden.