Eigentlich dürfte es Nahtod-Erlebnisse gar nicht geben. Denn bei einem Herzstillstand – dem häufigsten Auslöser solcher Erfahrungen – endet auch die Aktivität des Gehirns sehr schnell. Typischerweise zeigen die Hirnströme des EEG schon 20 Sekunden nach dem Herzstillstand ebenfalls eine Nulllinie. Wie aber ist dies mit den intensiven Erfahrungen der Nahtod-Betroffenen zu vereinbaren?

Das sterbende Gehirn als „Terra incognita“
Ob das Gehirn nach einem Herzstillstand überhaupt noch dazu fähig ist, so geordnete Sinneseindrücke wie die Nahtod-Erlebnisse zu erzeugen, ist heftig umstritten. Das liegt auch daran, dass kaum neurologische Daten aus dieser Übergangsphase gibt. „Bei den wenigen Studien zu Nahtod-Erfahrungen bei Patienten mit Herzstillstand oder anderen gut definierten medizinischen Zuständen fehlen neurologische, neuropsychologische oder bildgebende Daten und EEGs“, erklären Olaf Blanke von der Polytechnischen Hochschule Lausanne und seine Kollegen.
Der Grund ist einleuchtend: Wenn ein Patient zu sterben droht, haben die Mediziner genug damit zu tun, sein Leben zu retten – für neurologische Untersuchungen bleibt meist keine Zeit. Andererseits kann man solche Nahtodzustände beim Menschen weder vorhersagen noch absichtlich herbeiführen – das verbietet die Ethik.
Aktivitätsschub nach dem Herztod
Anders ist dies jedoch bei Ratten – und deshalb haben Jimo Borjigin von der University of Michigan und ihre Kollegen diese Tiere als Probanden für ihre Nahtodstudie gewählt. Dafür implantierten sie den Ratten zunächst Elektroden unter die Schädeldecke und zeichneten deren Hirnströme im wachen und narkotisierten Zustand auf – zu Vergleichszwecken. Dann lösten sie durch Injektion einer Kaliumchlorid-Lösung einen Herzstillstand aus und beobachteten, was dann im EEG geschah. „Das ist die erste Studie, die an Tieren untersucht, was genau im sterbenden Gehirn passiert“, sagt Borjigin.