Dank satellitengestützter Beobachtungstechniken können Wissenschaftler den Weg der irdischen Staubstürme genau verfolgen. Mehr und mehr drängt sich ihnen dabei der Verdacht auf, dass mit dem Staub auch noch ganz andere Dinge über große Strecken hinweg transportiert werden.
Mittlerweile bringen Forscher die Staubstürme in Afrika beispielsweise mit dem Korallensterben in der Karibik in Verbindung, zwei Phänomene, die dem ersten Anschein nach weder räumlich noch ursächlich zusammenhängen – oder doch? Seit den siebziger Jahren nimmt die Zahl der Korallenriffe in der Karibik nachweislich beständig ab, auch andere Meereslebewesen in dieser Region wurden 1983 sowie 1987 durch rätselhafte Massensterben dezimiert.
Parallel dazu stieg der Staubtransport von Afrika in die Karibik seit den Siebzigern dramatisch an, Spitzenwerte wurden in den Jahren 1973, 1983 und 1987 erreicht. Das sind genau diejenigen Jahre, in denen die Sterblichkeit in den karibischen Riffen ihren Höhepunkt erreichte. Einige Forscher vermuten daher, dass mit dem afrikanischen Staub krankmachende Keime transportiert werden, die für die karibischen Korallenpopulationen den Untergang bedeuten.
Mikroskopisch kleine, blinde Passagiere wie Pilze oder Bakterien haften an den Staubpartikeln und setzen nicht nur den Korallen zu: Nach Meinung von NASA-Wissenschaftlern können unter ihnen auch Keime sein, die ein potentielles Gesundheitsrisiko für den Menschen darstellen. Mikrobenbeladener Staub in der Luft gilt heute weltweit als die häufigste Quelle für allergische Belastungen.
Auch ein Zusammenhang zwischen den Staubstürmen und einer zunehmenden Mikrobenkonzentration in der Luft konnte inzwischen nachgewiesen werden. So fanden sich immer genau zu der Zeit, als Staubwolken aus Afrika die amerikanische Küste erreichten, sehr viele Bakterien und Pilze in der Luft. Wenn in Afrika Dürreperioden auftreten, steigt die Belastung durch Luftkeime in Nordamerika besonders stark an, weil dann noch mehr trockener Boden aufgewirbelt und über den Atlantik transportiert wird.
Staub, der durch Winde und atmosphärische Zirkulationen um den halben Globus „gepustet“ wird, kann aber nicht nur Unheilsbringer, sondern auch Lebensspender sein. Sowohl für terrestrische als auch für marine Ökosysteme stellt der Staub aus fernen Wüsten eine wichtige Mineral- und Nährstoffquelle dar. Eisenhaltiger Staub beispielsweise kann wie Dünger auf Meeresgebiete wirken, denen es an diesem wichtigem gelösten Mineral mangelt. Forscher haben herausgefunden, dass Staub aus der Wüste Gobi in China bis nach Hawaii gelangte. Als der Staub in den Gewässern rund um Hawaii niederging, verzeichneten die Wissenschaftler einen dramatischen Anstieg der Primärproduktion des Planktons. Die Partikel wirken also hier als wichtiger Wachstumsfaktor.
Dieser düngende Effekt des Wüstenstaubes im Meer kann sogar Auswirkungen auf das Klima haben. Der eisenhaltige Staub regt das Algenwachstum und damit auch die kohlendioxidzehrende Photosynthese an. Dadurch kann in diesen Regionen die Konzentration des Treibhausgases in der Atmosphäre sinken, es wird kühler. Manche Forscher gehen sogar soweit, dass sie annehmen, durch genügend Eisen im Ozean könnte eine neue „Eiszeit“ herbeigeführt werden.
Nicht nur marine Ökosysteme profitieren vom Staub. Forschungen im tropischen Regenwald haben gezeigt, dass in der Baumkronen-Region der tropischen Wälder in Zentral- und Südamerika ein großer Anteil der Nähr- und Mineralstoffe aus der Luft stammt: Staub und Partikel, die mit den Winden aus dem nördlichen Afrika über den Atlantik transportiert wurden. Auch auf den Inseln von Hawaii tritt dieses Phänomen auf. Ein großer Teil der oberen Bodenschichten wurde durch Staubstürme herangetragen.
Stand: 27.04.2003