Die Ringspeichen des Saturn sind inzwischen reichlich untersucht. Aber über die genaue Ursache dieses Phänomen herrscht noch immer Uneinigkeit. So scheint zwar klar, dass die Bewegungen des Staubs im B-Ring auf eine elektrostatische Aufladung zurückgehen müssen. Was aber diese Aufladung auslöst, darüber wird noch gestritten.
Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass das UV-Licht der Sonne die treibende Kraft ist: Strahlt sie in einem bestimmten Winkel ein, bilden sich die Speichen. Andere, darunter Geraint Jones vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, sehen die Ursache in einem etwas dramatischeren Phänomen: Blitzen.
Das Phänomen der „Sprites“
Ihrer Ansicht nach steckt hinter den Speichen der gleiche Mechanismus, der auf der Erde manchmal Leuchterscheinungen weit oberhalb von Gewitterwolken hervorruft. Solche Kobolde oder „Sprites“ entstehen, wenn die energiereichen Teilchen des Sonnenwindes und der kosmischen Strahlung auf die Atmosphäre treffen und an der Oberseite der Gewitterwolken elektrische Entladungen auslösen.
Dabei wird eine ganze Lawine von Elektronen frei. Diese lösen aber keinen Blitz nach unten aus, sondern sie werden von den Magnetfeldlinien nach außen geleitet. Dadurch entlädt sich ihre Energie sehr viel weiter oben, in der hohen Atmosphäre oder sogar an der Grenze zum Weltraum.
Saturns Gewitterstürme als Ursache?
„Es ist vernünftig anzunehmen, dass genau dies auch auf dem Saturn passiert“, postulieren Jones und seine Kollegen. „Die magnetischen Felder an den Wolken-Oberseiten ähneln denen auf der Erde und die Blitze setzen sogar tausendfach mehr Energie frei als ihre irdischen Gegenparts.“ Weil die Saturngewitter so intensiv sind, müssen auch die von ihnen erzeugten elektrischen Felder entsprechend stark sein. Werden diese Elektronen nach außen umgelenkt, dann treffen sie auf die Ringe und könnten dort Staubteilchen elektrostatisch aufladen.
Für diese These spricht, dass tatsächlich einige der Speichen oberhalb von Atmosphärenbereichen beobachtet wurden, in denen auf dem Saturn ein Sturm tobte. So registrierte Voyager am 22. August 1981 einen besonders prominenten Speichenkomplex, der einem starken Antizyklon in einem der Windbänder des Planeten zu folgen schien.
Elektronenstrahl als Indiz
Und noch ein Indiz führen die Forscher auf: Während seiner 15. Umkreisung des Saturn registrierte Cassini einen ungewöhnlichen Elektronenstrahl, dessen Merkmale nicht zu einem Ursprung durch magnetische Prozesse passten. Auch gab es zu diesem Zeitpunkt im Magnetfeld keine Ereignisse, die diesen Strahl erklären konnten.
Die große Nähe des Elektronenstrahls zur Atmosphäre des Planeten und seine simultane Energieentladung machen ihn aber nach Ansicht der Wissenschaftler zu einem Kandidaten für eine gewitterbedingte Entladung. Ob die Speichen aber tatsächlich durch solche Gewitterblitze entstehen, müssen weitere Untersuchungen erst klären – bisher gibt es nur Indizien.
Nadja Podbregar
Stand: 23.09.2016