Einige Reflexe mögen skurril oder witzig erscheinen, es gibt sie aber nicht ohne biologischen Grund. Im Zuge der Evolution haben sie sich bei Menschen und Tieren entwickelt, um den Körper möglichst schnell vor drohenden oder realen Gefahren zu schützen. Unsere Reflexe helfen damit insgesamt, uns am Leben zu erhalten. Weil sie die biologische Fitness erhöhen, haben sie sich bis heute erhalten und wurden im Erbgut verankert.
Schnellere Reaktionszeit
Ziel der meisten Reflexe ist es, die Ursache des Reizes schnellstmöglich zu beseitigen. Möglich machen dies der einfache Aufbau des Reflexbogens und seine automatische Auslösung, die eine relativ kurze Reaktionszeit von nur wenigen Sekundenbruchteilen bewirken. Beim Lidschluss beträgt die Latenzzeit des Reflexbogens beispielsweise etwa 250 Millisekunden, beim Handrückzieher 90 Millisekunden. Noch schneller sind Reflexe, die direkt über das Rückenmark statt über das Gehirn verschaltet sind, darunter besonders monosynaptische Eigenreflexe mit nur einer Schaltstelle. Der Kniesehnenreflex dauert zum Beispiel nur 30 Millisekunden.
Anders als bei bewussten Handlungen und erlernten Reflexen lässt sich die Reaktionszeit bei angeborenen Reflexen nicht trainieren oder beschleunigen. Umgekehrt werden sie aber auch nicht verlangsamt, wenn wir müde sind, oder durch Alkohol oder Hitze, wie es bei erlernten Reflexen der Fall ist. Doch was bezwecken die Reflexe im einzelnen?
Haltung bewahren oder ausweichen?
Unsere verschiedenen Dehnungsreflexe dienen beispielsweise dazu, unsere Körperpositionen beizubehalten oder anzupassen, wenn von außen plötzlich gefährliche Kräfte auf eine Sehne, einen Muskel oder ein Gewebe treffen. Um bei einem Schlag oder Stoß nicht umzufallen oder einen Gegenstand fallen zu lassen, steuert unser Körper automatisch gegen und gibt dem gedehnten oder einem benachbarten Muskel den Befehl, sich zusammenzuziehen. Der Kniesehnenreflex schützt uns so zum Beispiel beim Stolpern vor dem Hinfallen.