Laut zischend und gurgelnd sucht sich das Wasser seinen Weg. Auf den Straßen stehen zentimeterhoch die braunen Fluten und die Kanalisation platzt aus allen Nähten: Ausnahmezustand Hochwasser. Die Ursachen der katastrophalen Überschwemmungen durch Elbe, Rhein, Oder und Co. sind allerdings nicht nur in Starkregenfällen und begradigten Flussläufen zu suchen. Vielmehr führt die großflächige Versiegelung der Böden zum Verlust ihrer Speicherfähigkeit. Denn das Wasser fließt nun ohne den üblichen Zwischenstopp im Boden direkt oberirdisch ab und sucht sich seinen eigenen Weg.
Insgesamt gelten rund sechs Prozent Deutschlands als versiegelt, das heißt, sie sind mit Gebäuden, Straßen oder Plätzen bebaut. Auf einer Fläche so groß wie das Bundesland Hessen hat hier der Boden mit all seinen Organismen kaum eine Überlebenschance: Luftdicht abgeschlossen kann kein Regen mehr eindringen, Tageslicht und Sauerstoff sind ausgesperrt und die Bodenbildung ist fast vollständig auf Eis gelegt.
Schweizer Käse untertage
Dabei ist der Boden neben den Gewässern normalerweise einer unserer größten Wasserspeicher, denn rund ein Viertel seines Volumens besteht aus Feuchtigkeit. Enorm wichtig für die Wasserspeicherfähigkeit der Böden ist neben ihrem Tongehalt vor allem ihr Gefüge, das heißt die unterschiedliche Anordnung aus organischen und mineralischen Bestandteilen sowie den dazwischen liegenden Bodenporen. Diese winzigen Hohlräume machen fast ein Viertel eines Bodens aus und dienen als unterirdisches Luft- und Wasserreservoir. Der so massiv erscheinende Boden ist somit in Wahrheit löchrig wie ein Schweizer Käse, wenn auch im mikroskopisch kleinem Maßstab.
So nimmt ein Quadratmeter Waldboden innerhalb einer Stunde bis zu 70 Liter Wasser auf. Noch erstaunlicher: ein Hektar Buchenwald verdunstet an einem heißen Sommertag umgerechnet 600 Badewannen voll Wasser, dies entspricht immerhin rund 50.000 Liter. Rund siebzig Prozent aller Niederschläge gibt die Pflanzendecke auf diese Weise mehr oder weniger direkt wieder an die Atmosphäre ab. Der Rest versickert im Boden und speist das Grundwasser. Auch hierbei kommt den Pflanzen eine entscheidende Bedeutung zu. So hat beispielsweise eine sechzigjährige Buche ein Wurzelwerk von rund 20 Kilometern Länge. Ideale Leitungsbahnen für das Wasser auf dem Weg nach unten.
Verdichtung hinterlässt Spuren
Ganz anders sieht es hingegen bei verdichteten Böden aus. Wer schon einmal Fußspuren im Watt hinterlassen hat oder über federnden Waldboden gelaufen ist, kann sich ausmalen, was beispielsweise schwere Fahrzeuge mit dem Boden anrichten können. Durch den enormen Druck geht dem Boden förmlich die Luft aus und die Hohlräume werden zusammengepresst. Wertvoller Stauraum für Wasser geht verloren, so dass sich beim nächsten Regen schnell tiefe Pfützen in den Fahrzeugspuren bilden. Aber nicht nur das Wasser sondern auch Tiere und Pflanzenwurzeln haben es fortan schwer, in den Boden einzudringen.
So versickert unter den stark strapazierten Skipisten im Gebirge nur noch ein Zehntel der üblichen Menge Wasser – der Rest fließt in Sturzbächen oberflächlich ins Tal und Hochwasser sind praktisch vorprogrammiert. „Eine Nation, die ihre Böden zerstört, zerstört sich selbst“, warnte schon Frédéric Albert Fallou Mitte des 19. Jahrhunderts. Diese Aussage scheint aktueller denn je, auch wenn Hochwasserkatastrophen sicherlich nur die spektakulärsten Folgen sind. Zu denken geben sollte jedoch, dass es Wissenschaftlern bislang nicht gelungen ist, dass komplexe System Boden künstlich herzustellen – ein Ersatz der endlichen Ressource Boden scheint also auch auf lange Zeit nicht in Sicht.
Stand: 22.07.2005