Der große Nachteil der Kernenergie liegt im radioaktiven Abfall, der dabei entsteht. Die großen Urankerne zerfallen in eine ganze Reihe leichterer Elemente. Die meisten der dabei entstehenden Isotope sind ebenfalls radioaktiv und viele haben kürzere Halbwertszeiten als das Uran selbst. Der Abfall ist dadurch sogar noch radioaktiver als das ursprünglich eingesetzte Uran.
Spaltprodukte im radioaktiven Niederschlag
Von diesen Spaltprodukten entsteht im Brennstoff der Reaktoren naheliegender Weise eine große Menge. Ein geringer Teil davon lässt sich aus dem aufgearbeiteten Brennstoff gewinnen und wiederverwenden, zum Beispiel in der Medizin: Das radioaktive Iod-131 etwa dient in kleinen Mengen zur Diagnostik und Therapie von Schilddrüsenkrebs. Allerdings produzieren die Reaktoren viel mehr Abfall, als Bedarf an den noch brauchbaren Überresten des Kernbrennstoffs besteht. Radioaktives Material für Medizin und Wissenschaft stammt hauptsächlich aus Forschungsreaktoren.
Bei den mittlerweile eingestellten Atomwaffentests unter freiem Himmel und bei Störfällen wie den Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima sind es diese Spaltprodukte, von denen die große Gefahr ausgeht. Dabei gelangten große Mengen davon als radioaktiver Niederschlag ins Umland. Auch hierbei spielt das Iod-131 eine tragische bedeutende Rolle: Iod wird im menschlichen Körper in der Schilddrüse gespeichert. Die Radioaktivität des Iod-131 kann das Organ dann stark schädigen und statt zum Heilmittel zum Auslöser von Schilddrüsenkrebs werden.
In der Nahrung und im Körper
Wie sich vor kurzem zeigte, bleiben die radioaktiven Spaltprodukte nicht unbedingt dort, wo sie nach einer Katastrophe niedergehen: Waldbrände in der Umgebung von Tschernobyl tragen auch fast 20 Jahre nach dem Unglück noch radioaktive Partikel mit dem Rauch in die Atmosphäre, so dass sie sich weiter ausbreiten.
Spaltprodukte, die sich in tierischen wie pflanzlichen Nahrungsmitteln anreichern können, sind Cäsium-137 und Strontium-90. Cäsium-137 stand nach der radioaktiven Verseuchung in Tschernobyl und Fukushima stark im Vordergrund: Neben dem relativ kurzlebigen Iod-131 stellt es die Hauptursache der Belastung von Nahrungsmitteln dar. Cäsium ist besonders gefährlich, weil die meisten seiner chemischen Verbindungen wasserlöslich sind. Dadurch verbreitet es sich nicht nur viel schneller und weiter, es gelangt auch schneller in den Körper.
Strontium-90 verhält sich in mehrerer Hinsicht tückisch: Es ähnelt chemisch dem Calcium, welches ein wichtiger Bestandteil der Knochen ist. Strontium wird vom Körper daher besonders leicht aufgenommen und in die Knochen eingebaut. Daher verbleibt das radioaktive Strontium-90 sehr lange im Körper. Es ist außerdem nur schwer nachweisbar. Da es aber praktisch immer zusammen mit Cäsium-137 auftritt, wird beispielsweise in Fukushima nur letzteres gemessen und als Anhaltspunkt für die radioaktive Belastung verwendet. Strontium-90 wurde bislang stark vernachlässigt.
Wohin damit?
Interessanterweise lassen sich die Spaltprodukte des Urans in zwei Gruppen unterteilen. Die eine Gruppe, zu der auch Strontium-90 und Cäsium-137 gehören, hat relativ kurze Halbwertszeiten von unter hundert Jahren, Iod-131 sogar von nur acht Tagen. Ihre Radioaktivität nimmt daher relativ schnell ab. Aus diesem Grund lagern ausgebrannte Brennstäbe in Atomkraftwerken zunächst in „Abklingbecken“, bevor sie weiter transportiert werden können.
Anders verhält es sich bei Produkten wie Technetium-99 und Zirconium-93: Deren Halbwertszeiten von über 150.000 Jahren machen diese Isotope extrem langlebig. Zusammen mit Resten von Uran und Plutonium im Kernbrennstoff sind sie es, die den Atommüll so problematisch machen: Ihre Strahlung wird auch im Laufe von Jahrtausenden kaum schwächer. Bisher gelang dieser radioaktive Abfall möglichst sicher verpackt in Zwischen- und Endlager. Eine endgültige Lösung, wo und wie man diese strahlenden Überbleibsel am besten entsorgen könnte, existiert jedoch bis heute nicht.
Ansgar Kretschmer
Stand: 20.02.2015