Viele der neuen Mensch-Maschine-Schnittstellen sind ein echter Segen: Einige geben Patienten mit unheilbaren Krankheiten die Chance, zumindest die Symptome effektiver zu bekämpfen als herkömmliche Medikamente. Andere helfen bei alltäglichen Verrichtungen oder erleichtern eine Diagnose.
Hirnstimulation gegen Parkinson
Die bisher am häufigsten eingesetzte Methode zur Behandlung neurologischer Leiden ist die Tiefe Hirnstimulation (THS). Bei dieser werden die Elektroden in einer neurochirurgischen Operation möglichst exakt in die symptomauslösenden Hirnregionen implantiert. Durch die gezielte Stimulation dieser Areale mit geringem Strom können bestimmte Krankheitssymptome unterdrückt werden – und das verbessert die Lebensqualität von Patienten deutlich.
Am bekanntesten ist Einsatz der Hirnstimulation bei Parkinson. Sie kann zwar diese neurodegenerative Krankheit weder heilen noch aufhalten, dafür kann sie aber die typischen starken Symptome wie das Zittern oder die Versteifung deutlich mindern und so den Zustand und die praktischen Fähigkeiten der Patienten verbessern. Die THS wird zunehmend auch bei anderen neurologischen Erkrankungen wie der Epilepsie eingesetzt, aber auch bei einigen psychiatrischen Krankheitsbildern wie bei starker Depression oder bei Zwangsstörungen.
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Kommunikation mit der Außenwelt
Eine andere Einsatzmöglichkeit hat die Neurotechnologie bei Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS), einer nicht heilbaren, neurodegenerativen Erkrankung der für die Muskelbewegung zuständigen Nervenzellen. Sie führt im Spätstadium zu einem Zustand kompletter Lähmung, so dass sich die Patienten oft nur noch ein Augenlid aktiv bewegen können. Eine Kommunikation mit der Außenwelt ist für ALS-Patienten in diesem Stadium extrem schwierig bis unmöglich.
Einen Ausweg bietet hier das Auslesen ihrer Gehirnaktivität. Eine Elektrodenhaube wird auf die Kopfoberfläche aufgesetzt und registriert die elektrischen Gehirnströme des Patienten. Ein angeschlossener Computer wandelt diese in digitale Befehle um. Durch Training können die Patienten lernen, beispielsweise mit ihren Gedanken einen Cursor zu bewegen und mit Buchstabenprogrammen Sätze zu bilden. Ihre Sprachfähigkeit findet so den Weg vom Kopf direkt in den Computer.
Hilfe bei der Diagnose
Über die Entwicklung solcher Hilfsmittel hinaus verbindet sich mit den Neurotechnologien auch die Hoffnung auf bessere Diagnosemöglichkeiten bei neurologischen Erkrankungen. Zu diesem Zweck wurden sogenannte „Elektrodengrids“ entwickelt, die wie ein kleines Netz direkt auf der Gehirnoberfläche platziert werden. Auf diese Weise können sie krankhafte Erregungsmuster identifizieren und so bei der Diagnose helfen.
Bei Epilepsie können Elektroden in bestimmte Hirnbereiche eingesetzt werden, um den Anfallsherd genau zu lokalisieren. Dies dient dann der Vorbereitung auf einen chirurgischen Eingriff oder aber um festzulegen, wo eine Tiefe Hirnstimulation sinnvoll sein kann.
PD Dr. Oliver Müller für bpb.de / CC-by-sa 3.0
Stand: 16.10.2015