Da staunte Edward Lorenz nicht schlecht, als er aus einer kurzen Kaffeepause zurück an seinen Computer kam: Der Computer druckte und druckte Daten, die gar nicht stimmen konnten. Dies war der Beginn einer völlig neuen Disziplin der Wissenschaft – der Chaosforschung. Da der Zufall in der Chaostheorie eine entscheidende Rolle spielt, scheint es angebracht, dass auch das Phänomen des chaotischen Systems durch einen Zufall entdeckt wurde.
Aber was war nun eigentlich los mit dem Computer? Als Meteorologe interessierte Lorenz sich für die Entwicklung des Wetters. Daher experimentierte er mit einem Computerprogramm, das das Wetter simulieren sollte. Er hatte dem Computer verschiedenen Daten wie Temperatur oder Luftfeuchtigkeit eingegeben, so dass dieser jetzt mithilfe von Gleichungen das Wetter vorausberechnen sollte. Dazu nutzte der Computer den jeweils errechneten Wert, setzte ihn erneut in die Gleichung ein und rechnete mit dem Ergebnis weiter. Allerdings waren die Computer im Jahre 1960 noch nicht besonders leistungsstark. Als die Daten immer mehr Stellen hinter dem Komma anzeigten, war der Rechner überlastet.
Lorenz stoppte das Programm und rundete die Daten in der dritten Stelle hinter dem Komma ab, dann ließ er das Programm erneut am Anfang der Berechnung starten. Während der Computer wieder loslegte, ging Lorenz in die besagte Kaffeepause. Wieder zurück bemerkte er, dass der Computer zwar die selben Rechnungen durchgeführt hatte, diesmal aber völlig andere Ergebnisse erhalten. Dabei waren die Ausgangsdaten identisch – bis auf die winzige Ungenauigkeit der Abrundung, die die Zahl um weniger als ein Tausendstel beeinflusste.
So bemerkte Edward Lorenz als einer der Ersten, dass kleine Änderungen der Ausgangsdaten bei einem komplexen Programm völlig unterschiedliche Endergebnisse verursachen können. Das Wetter kann demnach nicht über einen längeren Zeitraum vorhergesagt werden.
Dieses Phänomen war etwas Neues. Bis dahin hatte man angenommen, dass auch in der Natur in der Regel deterministische Systeme vorherrschen. Bei diesen linearen Systemen lässt sich jeder Zustand genau berechnen, wenn alle Parameter zu einem bestimmten Zeitpunkt bekannt sind. Würde das Wetter also einem solchen System folgen, wäre es ein Leichtes gewesen, durch Kenntnis der aktuellen Daten die Wetterentwicklung genau voraus zu berechnen. Bei zufälligen System ist dies nicht der Fall, vor dem Wurf eines Würfels kann niemand mit Gewißheit voraussagen, welche Seite oben liegen wird.
Im deterministischen Chaos ist das System zwar vollständig durch Gleichungen beschrieben, diese sind aber nicht linear und damit ist die Entwicklung nicht völlig vorhersehbar. Nahezu alle Vorgänge in der Natur zählen zu diesen Systemen. Anschaulich beschrieben wurde diese „sensitive Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen“ mit dem sogenannten Schmetterlingseffekt. Demnach kann ein Schmetterlingsschlag in China einen Hurrikan in der Karibik auslösen.
Stand: 30.05.2000