Wie die meisten Präzisions- und Hochleistungsmaschinen sind Proteine leider auch anfällig für Schäden. Die können bereits bei der Produktion auftreten: durch Mutationen. Wenn im Gen, welches ein Protein codiert, ein Fehler auftritt, kann dadurch eine falsche Aminosäure an der entsprechenden Stelle der Sequenz eingebaut werden. Die meisten solcher Punktmutationen sind glücklicherweise unbedeutend. Manchmal kommt es jedoch zu fatalen Folgen.
Eine falsche Aminosäure reicht
Eine solche Mutation kann Krankheiten auslösen, die dann von Eltern auf ihre Kinder weitervererbt werden kann. Im Blutfarbstoff Hämoglobin reicht eine einzige ausgetauschte Aminosäure, um eine solche Erbkrankheit zu verursachen. Steht an der sechsten Position der beta-Untereinheit die Aminosäure Valin anstelle von Glutaminsäure, stapeln sich die Hämoglobinkomplexe übereinander und hängen kettenartig zusammen, anstatt frei in den Blutkörperchen gelöst zu sein. Dadurch ist auch die Sauerstoffkapazität des Transportproteins geringer.
Die Sichelform der betroffenen Blutkörperchen gibt der Krankheit ihren Namen. Diese Zellen verfangen sich leichter in schmalen Blutgefäßen und sind instabiler als gesunde rote Blutzellen. Menschen mit Sichelzellanämie leiden daher an schwerer Blutarmut. Interessanterweise erhöht die Sichelzellanämie jedoch die Widerstandskraft gegen Malaria, weshalb sie in Malariagebieten genetisch weit verbreitet ist.
Kaputtes Enzym
Ebenfalls durch Punktmutationen entsteht die Erbkrankheit Phenylketonurie. Sie ist der Grund für den Aufdruck „enthält eine Phenylalaninquelle“ auf vielen Lebensmitteln. Etwa eines von 8.000 Neugeborenen in Deutschland wird mit dieser Krankheit diagnostiziert. Ein Enzym, das die Aminosäure Phenylalanin in die Aminosäure Tyrosin umwandelt, ist bei Betroffenen in seiner Funktion beeinträchtigt oder sogar vollkommen inaktiv. Dadurch sammeln sich andere Abbauprodukte des Substrats Phenylalanin an, während ein Mangel an Tyrosin auftritt.
Unbehandelt führt die Krankheit langfristig zu schweren geistigen Entwicklungsschäden und Epilepsie. Durch eine weitgehend phenylalaninfreie Ernährung und ausreichende Versorgung mit Tyrosin läst sich dies glücklicherweise verhindern – allerdings müssen Erkrankte eine solche Diät das ganze Leben lang einhalten.
Ansgar Kretschmer
Stand: 21.03.2014