Der Chemiker Waldmann möchte die Bioinformatik auch für ein ganz anderes Projekt nutzen. Er ist überzeugt davon, dass die Natur nicht nur bei der Schaffung von Proteindomänen rationell vorging: „Wir vermuten, dass es unter kleinen Molekülen mit biologischer Aktivität ebenfalls Grundtypen gibt, dass Naturstoffe also mindestens teilweise nach konservativen Prinzipien aufgebaut sind.“ Per Computeranalyse will Waldmann nach solchen Grundtypen fahnden. „Nach heutigem Kenntnisstand weist die überwiegende Mehrzahl aller Proteine nur rund tausend Faltungstypen auf. In Analogie dazu wollen wir die Frage beantworten, wie viele Grundstrukturen nötig sind, um zum Beispiel 90 Prozent aller Naturstoffe einzuordnen“, so der Forscher.
Diese Strukturen wären dann ideale Ausgangspunkte für kombinatorische Bibliotheken, die – zumindest theoretisch – eine Fülle neuer biologisch aktiver Substanzen und vielleicht auch medizinischer Wirkstoffe liefern sollten. „Unser derzeitiges Ziel ist es, 20 verschiedene Bibliotheken mit je 500 Analoga um Naturstoff-Grundgerüste aufzubauen“, erklärt Waldmann. Die ersten habe seine Arbeitsgruppe bereits synthetisiert.
Dass Chemiker und Biologen hin und wieder am Erfolg ihres Vorhabens zweifeln, kann den ambitionierten Chemiker nicht von seinen Plänen abhalten. „Wir werden mit unseren Bibliotheken nicht in der Lage sein, jedes biologische oder medizinische Problem zu lösen“, gibt Waldmann bereitwillig zu. Vielmehr werde es Systeme geben, bei denen man erfolgreich, andere, bei denen man nicht erfolgreich sein werde. „Spannend ist doch, wie das relative Zahlenverhältnis zwischen diesen beiden Fällen aussehen wird“, sagt der Wissenschaftler mit einem Schmunzeln, das keinen Zweifel zulässt, wie er die Sachlage einschätzt.
Stand: 06.08.2004