Pilze gibt es nahezu überall auf der Welt. Je nach Pilzart und Fortpflanzungsstatus treten sie in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen auf: Von der winzigen Spore über den fadenartigen Schimmelhyphen bis hin zum klassischen Hutpilz. Ihnen gemeinsam ist ein meist unsichtbares Geflecht aus Pilzfäden, den Myzelen, die viel größere Flächen einnehmen können als der sichtbare Fruchtkörper.
Pilze gedeihen überall dort, wo es organisches Material gibt, von dem sie sich ernähren können. Das kann sowohl die Erde im Garten oder Blumentopf sein als auch tote oder lebende Organismen wie Pflanzen und Tiere, alte Lebensmittel oder feuchte Wohnungen. Mit der Nutzung dieser Fülle an Lebensräumen sind Pilze wahre Meister der Vielseitigkeit. Doch auch in ihrer Verteidigung sind sie gewiefte Überlebenskünstler, mit vielfältigen Abwehrstoffen.
Toxine als Verteidigungsstrategie
Da sie nicht wie Tiere vor Feinden davonlaufen können und keine mechanische Barriere wie Baumrinde besitzen, besteht eine der wichtigsten Verteidigungsstrategien der Pilze in der Produktion von Giftstoffen – sogenannten Mykotoxinen. Indem sie diese für andere Lebewesen schädlichen Chemikalien in ihre Fruchtkörper einbauen oder ausscheiden, verhindern die Pilze, von Insekten und anderen Tieren gefressen oder von Parasiten ausgenutzt zu werden.
Das belegt unter anderem eine Studie mit dem Schimmelpilz Aspergillus nidulans, der mit seinem Toxin erfolgreich Insekten abwehrt. „Das Experiment beweist, dass die Gifte bei Pilzen im Zuge der Evolution als Fraßschutz entstanden sind und den Pilzen einen Überlebensvorteil sicherten“, erklärt der Ökologe Marko Rohlfs von der Universität Kiel.
Aber woher wissen die Pilze, wann ihnen Gefahr droht? Die meisten Pilze bilden ihre Gifte prophylaktisch, so dass diese stets in den Fruchtkörpern vorhanden sind. Diese dauerhafte Verteidigungsstrategie ist Forschern bereits seit Jahrhunderten bekannt und kommt auch in Pflanzen und Tieren häufig vor. Die meisten Pilze enthalten sogar mehrere Toxine, die in unterschiedlichen Konzentrationen im Fruchtkörper vorliegen können, je nach Standort, Jahreszeit, Wetter und Alter.
Bei Angriff Blausäure
Andere Pilzarten wiederum sind sparsamer, schonen ihren Stoffwechsel und produzieren zunächst nur eine Vorstufe ihres eigentlichen Toxins. Letzteres entsteht erst dann, wenn die Pilze tatsächlich angegriffen werden, wie neuere Studien zeigen. Beispielsweise stellt ein winziger Rindenpilz namens Orangefarbene Mehlscheibe (Aleurodiscus amorphus) aus Blausäureglykosiden giftige Blausäure her, wenn er verletzt wird. Damit verhindert er zwar den Angriff nicht, wird aber auch nicht komplett gefressen und kann sich wieder erholen.
Ebenfalls erst bei Verletzungen produziert der Austernpilz (Pleurotus ostreatus) sein Gift. Allerdings dient es ihm nicht nur als passiver Fraßschutz, sondern auch, um aktiv seine Nahrung zu erbeuten. Aus kleinen rundlichen Fortsätzen stößt der Austernpilz dafür das giftige Nervengas 3-Octanon aus, um Fadenwürmer zu töten und anschließend mit seinem Hyphen-Geflecht auszusaugen. „Seine Toxocysten produzieren ein potentes Gift, das die Fadenwürmer innerhalb von Minuten nach dem Kontakt tötet“, berichtet Ching-Han Lee von der Academia Sinica in Taipeh.
Bei den Würmern führt das Mykotoxin zu Muskelkrämpfen und Lähmungen, für Menschen ist es hingegen ungefährlich. Austernpilze können daher bedenkenlos gegessen werden und zählen auch zu den beliebtesten Speisepilzen.
Gesundheitsgefahr durch ungiftige Pilze
Pilze müssen übrigens nicht zwingend selbst Giftstoffe produzieren, um für Menschen schädlich bis tödlich zu sein. Auch mit Schwermetallen aus dem Boden (doi: 10.1016/j.scitotenv.2022.158160) oder radioaktiver Strahlung belastete Speisepilze können langfristig gesundheitliche Schäden hervorrufen. In deutschen Wäldern sind beispielsweise nach wie vor viele Pilze durch den Reaktorunfall 1986 in Tschernobyl belastet, wie das Umweltinstitut München mitteilt. „Der radioaktive Stoff Caesium-137 wird vom im Boden weit verflochtenen Myzel einiger Pilzsorten stark aufgenommen“, sagt Hauke Doerk vom Umweltinstitut. Solange wir Waldpilze nicht in riesigen Mengen essen, sei dies zwar kein akutes Problem, jedoch langfristig gesehen auch nicht ungefährlich.
Zu einer Unverträglichkeit, allergischen Reaktion oder akuten Vergiftung kann es außerdem durch den Verzehr roher oder durch Bakterien verdorbener Speisepilze kommen. Dabei muss es sich nicht unbedingt um wilde Pilze aus dem Wald handeln, sondern kann auch bei Kultur-Pilzen aus dem Supermarkt passieren.