Das Rätsel um die extreme Widerstandsfähigkeit von Deinococcus beschäftigt Genetiker und Mikrobiologen nun schon seit Jahren, und noch immer ist es den Forschern nicht gelungen, der Mikrobe das Geheimnis ihrer Resistenz vollständig zu entreissen. Immerhin ist die Sequenzierung und anschließende Entschlüsselung des Genoms des Bakteriums inzwischen soweit fortgeschritten, dass rund zwei Drittel der Gene und der Funktionen, die sie codieren, bekannt sind. Damit rücken Überlegungen, wie man die fantastischen Fähigkeiten der „Rekordmikrobe“ nutz- und gewinnbringend nutzen könnte, immer stärker in den Vordergrund.
Eines der wichtigsten Einsatzgebiete, für die Deinococcus wie gerufen scheint, ist die biologische Sanierung von verseuchten Böden. Allein in den USA gibt es mehr als 3.000 Areale, die durch Atomwaffenindustrie und Reaktorentwicklung radioaktiv belastet hinterlassen wurden. Viele von ihnen enthalten einen hochgiftigen Cocktail aus organischen Giften, Schwermetallen und radioaktiven Elementen wie Uran und Plutonium. Die konventionelle Sanierung dieser Standorte würde nicht nur hunderte von Milliarden Dollar kosten, sondern auch Jahrzehnte dauern. Die biologische Sanierung mithilfe von resistenten Organismen könnte hier eine erheblich billigere und schnellere Lösung sein.
Doch alle bisherigen Versuche waren nur bedingt erfolgreich: Zwar kennt man mittlerweile eine ganze Reihe von Organismen, die toxische Verbindungen abbauen oder Schwermetalle so immobilisieren, dass sie nicht mehr ins Grundwasser ausgewaschen werden, aber sie alle haben eine entscheidende Schwäche: „Sie sind sensibel gegenüber radioaktiver Strahlung. Wenn es um den Abbau von radioaktiven Abfällen geht, werden alle diese Organismen unweigerlich getötet,“ erklärt der Mikrobiologe Michael Daly.
In dieser Zwickmühle kommt „Conan das Bakterium“ den Wissenschaftlern gerade recht. Es übersteht nicht nur extrem hohe Strahlendosen unbeschadet, sondern scheint auch gegen die meisten „gängigen“ Gifte resistent zu sein. Experimente haben gezeigt, dass Deinococcus auf Toluenen und ähnlichen toxischen Verbindungen auch dann noch wächst und sich vermehrt, wenn es einer ständigen Strahlung von rund 6.000 rads pro Stunde ausgesetzt ist – dem sechs bis zwölffachen der für Menschen tödlichen Dosis.
Allerdings hat die Sache noch einen Haken: Deinococcus findet solche Giftstoffe in der Regel nicht unbedingt „schmackhaft“. Unter normalen Umständen baut das Bakterium sie daher nicht oder nur in sehr geringen Mengen ab und ist daher für eine biologische Sanierung zu ineffektiv. Daly und sein Team haben daher Teile des Genoms eines anderen, Toluen-verzehrenden Bakteriums, in das Erdgut von Deinococcus eingeschleust. Die bisherigen Ergebnisse dieser genetischen Veränderung sind zwar ermutigend, von einem genetisch perfektionierten, für die biologische Sanierung maßgeschneiderten „Superbug“ sind die Forscher allerdings noch weit entfernt…
Stand: 26.05.2001