Wie bei vielen frühen Hochkulturen ist auch der Niedergang der Indus-Zivilisation rätselhaft. Was führte dazu, dass diese Kultur, die zu ihrer Blütezeit eine Million Quadratkilometer Fläche und bis zu zehn Prozent der gesamten damaligen Weltbevölkerung umfasste, sich allmählich auflöste und verschwand? Warum verließen die Menschen nach rund 700 Jahre die großen, reichen Städte und oft auch gleich die gesamte Indusregion?
Bisher gibt es zu dieser Frage eine ganze Reihe von Hypothesen und Theorien, aber nur wenige eindeutige Belege. Einige Forscher suchen die Ursache in sozio-ökonomischen Entwicklungen, darunter sozialen Unruhen, Invasionen durch Nachbarvölker oder einen nachlassenden Handel. Andere mutmaßen, dass es das Klima gewesen sein könnte, dass – wie bei so vielen anderen Hochkulturen – auch dieser Zivilisation den Todesstoß versetzte.
Sturzfluten und Trockenzeiten
Das Tal des Indus und seiner Nebenflüsse war zur Zeit der Indus-Kultur fruchtbar und bot reichlich Möglichkeiten, auch größere Städte durch entsprechende Landwirtschaft zu ernähren. Allerdings: Verantwortlich für diese Fruchtbarkeit und den Wassernachschub war nicht der Regen, sondern das Gletscher-Schmelzwasser aus dem Himalaya und ein noch weitaus unzuverlässigerer Faktor: der Monsun.
Während der Regenzeit fiel der Niederschlag dabei vor allem stromaufwärts, an den Oberläufen der Flüsse. Als Sturzfluten und Hochwasser wälzte sich dieses Wasser dann immer wieder die Flüsse hinab und sorgte für Überschwemmungen – wie noch heute in Bangladesch und Pakistan der Fall. Und ähnlich wie zur gleichen Zeit am Nil waren es solche regelmäßigen Überschwemmungen, die dem Land an den Flussufern seine Fruchtbarkeit verliehen.
Im Unterschied zu den alten Ägyptern oder auch den Kulturen Mesopotamiens machten die Bewohner des Industals aber offenbar keine Versuche, diese Wasserfluten durch Bewässerungssysteme zu steuern und zu kontrollieren. Bisher zumindest fehlt jede Spur einer solchen klassischen Bewässerungslandwirtschaft. Lag hierin vielleicht schon die Saat des Niedergangs?
Nadja Podbregar
Stand: 09.05.2014