Warum bringt eine geringere Kalorienzufuhr den Körper dazu, länger zu leben? Dass dem so ist, haben Rhesusaffe Canto und seine Kumpanen inzwischen belegt. Aber die Ursache konnte auch die Studie der US-Forscher in Madison nicht enthüllen. Den entscheidenden Hinweis fanden die Altersforscher fast zeitgleich mit Hilfe eines anderen Tieres, dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans. Der nur einen Millimeter kleine Wurm zeichnet sich durch eine immergleiche Zellzahl und das erste vollständig entschlüsselte Vielzeller-Genom aus und ist daher ein beliebter Modellorganismus der Entwicklungsbiologen und Genetiker.
Suche im Insulin-Signalweg
Und genau deshalb nutzten auch die Wissenschaftler vom Salk Institute for Biological Studies in La Jolla, Kalifornien, diesen Wurm. Sie durchforsteten das Erbgut von Caenorhabditis nach vielversprechenden Kandidaten für einen genetischen Faktor, der die lebensverlängernde Wirkung der Diät auslösen könnte. Denn dieser Effekt tritt auch bei dem winzigen Fadenwurm auf. Zunächst suchten die Forscher im Signalweg des Insulinstoffwechsels nach einem vielversprechenden Kandidaten. Nacheinander deaktivierten sie dabei ein Gen nach dem anderen – immer in der Hoffnung, die so behandelten Würmer würden dadurch ihre Diät-induzierte Langlebigkeit verlieren. Doch nichts geschah.
Fund ganz woanders
Erst als der Doktorand Siler Panowski im Jahr 2007 eine Gruppe Gene in Angriff nahm, die eigentlich nur eine Nebenrolle im Geschehen spielen sollten, wurden er fündig: Würmer, bei denen der Forscher das Gen für das Protein PHA-4 blockierte, zeigten plötzlich keinerlei Reaktion mehr auf die Diät. Sie starben genauso früh wie ihre normal ernährten Artgenossen.
Als nächstes testeten die Wissenschaftler den umgekehrten Fall: Sie manipulierten das PHA-4-Gen in normal ernährten Würmern so, dass es deutlich aktiver war als gewöhnlich. Und tatsächlich: Die Tiere lebten dadurch auch ohne Diät 20 bis 30 Prozent länger als normal. „PHA-4 entpuppt sich als essenziell für die durch Kalorienreduktion ausgelöste Langlebigkeit“, erklärt Panowski. Laborleiter Andrew Dillin ergänzt: „Nach 72 Jahren des Nichtwissens, wie die Kalorienrestriktion funktioniert, haben wir endlich genetische Belege, die das molekulare Programm enträtseln, das der erhöhten Langlebigkeit zugrundeliegt.“
Drei ähnliche Gene beim Menschen
Was aber sagt dieses Fadenwurm-Gen über den Menschen und seine Lebensspanne aus? Sind Rückschlüsse über eine solche Spanne – vom wirbellosen Winzling zum hochentwickelten Primaten – überhaupt möglich? Nach Ansicht der Salk-Forscher durchaus. Denn der Mensch besitzt gleich drei Gene, die dem Wurmgen PHA-4 sehr stark ähneln. Alle gehören zur Familie der so genannte FOXa Gene. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklung und Regulation von Glukagon. Das Bauchspeicheldrüsenhormon erhöht den Blutzuckerspiegel und sorgt dafür, dass der Körper auch bei Nahrungsmangel genügend Energie zur Verfügung hat.
Nadja Podbregar
Stand: 16.04.2010