Astronomie/Kosmologie

Das erste Signal

"The Dish" und der erste Fast Radioburst

Es ist der 25. August 2001, gegen sechs Uhr morgens Ortszeit in Südost-Australien. Unbemerkt von Menschen und den meisten Detektoren rast ein nur wenige Millisekunden kurzer, aber enorm starker Radiopuls durch die Atmosphäre und trifft die 64-Meter-Schüssel des Parkes-Radioteleskops – einer der größten Radioantennen der Südhalbkugel. Wie alle Radiosignale wird auch dieser ultrakurze Puls automatisch auf Magnetband gespeichert – zur späteren Prüfung durch die Astronomen.

Parkes-Radioteleskop
Das Parkes-Radioteleskop spielte bei der ersten Mondlandung eine wichtige Rolle, denn es empfing im Juli 1969 die Fernsehbilder von Apollo 11. © CSIRO /CC-by 3.0

Zufallsfund bei der Pulsar-Suche

Doch es dauert mehr als fünf Jahre, bis der archivierte Radioblitz entdeckt wird – durch einen bloßen Zufall. Eigentlich sind der Radioastronom Duncan Lorimer und einer seiner Doktoranden auf der Suche nach Radiopulsaren, als sie im Parkes-Archiv auf das seltsame Signal stoßen. Von einem Radiopulsar stammt dieser Puls nicht, so viel ist schnell klar.

Ratsuchend zieht Lorimer einen Kollegen hinzu: „Ich forschte am Parkes Teleskop gerade an einem anderen Projekt mit Lorimer zusammen und beteiligte mich an der Diagnose dieser Radioquelle“, erinnert sich Matthew Bailes von der Swinburne University of Technology. „Wir extrahierten die Daten des Radiopulses und stellten sie als sogenannte Wasserfall-Diagramme dar, die die Pulsenergie als Funktion von Zeit und Frequenz zeigen.“

Billionen Mal stärker als ein Pulsar

Dies enthüllt Erstaunliches: Der FRB 010724 getaufte Radiopulses war so stark, dass er die Empfänger des Teleskops übersättigte. „Mit einer Flussdichte von rund 30 Jansky lag er mehr als 100-fach über der für die Durchmusterung eingestellten Schwelle. Wenn unsere Empfänger nicht die Fähigkeit gehabt hätten, starke Signale in mehreren Kanälen zu detektieren, wäre dieser Puls nie gefunden worden“, sagt Bailes.

Lorimer-Puls
Der fast senkrechte dunkle Strich im Radiorauschen ist der von Duncan Lorimer entdeckte Radiopuls. © Psr1909/ CC-by-sa 4.0

Und noch etwas zeigt das Diagramm: Der starke, aber kurze Radioblitz zeigt einen charakteristischen Verlauf mit zuerst hohen dann immer tiefer werdenden Frequenzen. Solche Signale entstehen, wenn kosmische Radiowellen das interstellare Medium passieren: „Das ionisierte Gas bremst die Wellen ab. Wie stark, hängt dabei von der Radiofrequenz und der Elektronendichte im interstellaren Medium ab“, erklärt Bailes. Am „Jaulen“ des Radiosignals lässt sich daher ungefähr erkennen, aus welcher Entfernung es stammt.

Für FRB 0101724 errechnen die Radioastronomen die enorme Entfernung von mindestens einer Milliarde Lichtjahren. „Um über eine solche Distanz noch die beobachtete Intensität zu besitzen, muss die Quelle dieses Radiopulses eine Billion Mal leuchtstärker sein als jeder bekannte Radiopulsar“, berichtet Bailes. „Dieses Signal muss demnach entweder ein unglaublich heller Radioblitz aus dem fernen Kosmos sein oder aber eine neuartige Form der irdischen Radiointerferenz.“

Peryton
Ist der vermeintlich kosmische Radioblitz doch nur ein irdisches Störsignal wie der hier abgebildete Peryton? © Psr1909/ CC-by-sa 4.0

Ist es nur ein „Peryton“?

Aber welches von beiden trifft zu? Handelt es sich bei dem „Lorimer-Puls“ doch nur um ein von menschlicher Technik stammendes Störsignal? Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass sich die Radioastronomen täuschen lassen: 1998 hat das Parkes-Radioteleskop schon einmal starke Radiopulse mit vermeintlich kosmischen Merkmalen empfangen, deren Quelle sich nicht bestimmen ließ. Die Astronomen tauften das Signal damals „Peryton“, nach einem mythischen Fabelwesen halb Vogel und halb Hirsch.

Erst im Jahr 2015 entdeckt man die Quelle der Perytons: Sie kommen nicht aus dem All, sondern aus einer Mikrowelle in einem rund 100 Meter entfernten Gebäude. Immer, wenn das Gerät im laufenden Betrieb geöffnet wird, schalten sich die Mikrowellen automatisch ab – aber mit einigen Millisekunden Verzögerung. Diese Zeit reicht, um einen starken Radiopuls mit vermeintlich kosmischen Merkmalen zu erzeugen. „Einige dieser Perytons hatten eine Frequenzverteilung ähnlich dem Lorimer-Signal. Das verstärkte unsere Zweifel: War dieser Radiopuls vielleicht doch nur eine ähnliche Form des Störsignals?“, erinnert sich Bailes.

Weil sie trotzdem eher an einen kosmischen Ursprung glauben, veröffentlichen die Astronomen ihren außergewöhnlichen Fund 2007 im Fachjournal „Science“ – auch, um die Suche nach weiteren solcher Signale anzustoßen. Auch Lorimer, Bailes und ihre Kollegen am Parkes-Teleskop gehen erneut die Archive durch und setzen auch das Teleskop ein, um gezielt nach solchen Signalen zu suchen – aber zunächst vergeblich. Das ändert sich erst einige Jahre später…

  1. zurück
  2. 1
  3. |
  4. 2
  5. |
  6. 3
  7. |
  8. 4
  9. |
  10. 5
  11. |
  12. 6
  13. |
  14. weiter
Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Das Rätsel der kosmischen Radioblitze
Was steckt hinter den Fast Radiobursts?

Das erste Signal
"The Dish" und der erste Fast Radioburst

Kein Einzelfall mehr
Fahndung nach der Quelle der Fast Radiobursts

Lauter Widersprüche
Nachglühen, Serientäter und torpedierte Modelle

Ein Schritt vor und zwei zurück
Wer ist der Urheber der Radiopulse?

Das Rätsel bleibt - vorerst
Liefert die nahe Zukunft eine Antwort?

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema