Schon vor Jahrhunderten berichteten Weltreisende von „singenden Dünen“, von Sandbergen, denen der Wind laute Geräusche entlockte. Im 12. Jahrhundert hörte Marco Polo in der Wüste Gobi seltsame Musik oder Trommeln, die er für die Geräusche von „Wüstengeistern“ hielt. Auch Charles Darwin beschrieb 1889 klare Töne, die aus einer Sandablagerung an einem Berg in Chile drangen. Auch heute noch finden sich solche singenden Dünen in fast allen Wüsten der Erde. Die von ihnen erzeugten Töne können eine Lautstärke von bis zu 100 Dezibel erreichen und sind über mehrere Kilometer hörbar.
Sandlawinen am Dünenhang
Wie aber entstehen diese geheimnisvollen Klänge? Lange Zeit glaubte man, dass vom Wind ausgelöste Vibrationen der gesamten Düne diese Töne hervorbringen. Doch im Jahr 2006 ging ein internationales Wissenschaftlerteam den Ursachen erneut auf den Grund und widerlegte diese Theorie. Durch Feldstudien und kontrollierte Experimente im Labor belegten sie, dass die Töne durch die synchronisierten Bewegungen von Sandlawinen einer bestimmten Größe ausgelöst werden. Während kleine Sandlawinen keinerlei wahrnehmbaren Ton erzeugen und große Lawinen Geräusche einer solchen Frequenzbreite produzieren, dass es einfach nur wie lautes Rumpeln und Lärmen klingt, gibt es Lawinen, die genau die richtige Größe und Geschwindigkeit haben: Sie erzeugen Töne einer reinen Frequenz mit gerade ausreichend Obertönen, um dem „Singen“ eine bestimmte Klangfarbe zu geben.
Synchrones Rutschen erzeugt Töne
Wie aber entstehen die Töne in der Lawine? Auch hierfür fanden die Forscher eine Erklärung – die gleichzeitig eine ganze Reihe früherer musikalischer Entstehungstheorien entkräftet. Es zeigte sich, dass nicht die Reibung von gleitenden Sandblöcken entlang des Dünenkörpers die Töne produziert – das wäre vergleichbar dem Prinzip der Tonerzeugung einer Violine. Ebenfalls ausgeschlossen haben die Forscher eine andere Vermutung, nach der ein Resonanzeffekt – ähnlich dem vibrierenden Luftstrahl im Inneren einer Flöte – die Töne erzeugt.
Stattdessen stammen die geheimnisvollen Sandtöne aus der synchronisierten, freien Gleitbewegung von trockenem, grobkörnigerem Sand, der über den Untergrund rutscht und dabei Schwingungen mit niedriger Frequenz auslöst. Die Forscher konnten solche Töne auch gezielt provozieren, indem sie einen Dünenhang hinab rutschten oder Sandlawinen mit den Händen auslösten.
Nadja Podbregar
Stand: 04.05.2012