Während ihres 46-jährigen Lebens war unser beispielhafter Megalodon „Meggie“ nicht nur eine furchteinflößende Jägerin, sondern bereiste wahrscheinlich auch die Welt. „Der Megalodon war ein guter Schwimmer, der lange Strecken zurücklegen konnte – möglicherweise unternahm er längere Migrationen als heutige Haiarten“, berichten Jack Cooper und sein Team. Sie halten es für möglich, dass Meggie und ihre Artgenossen im Laufe ihres Lebens häufiger zwischen den verschiedenen Meeren wechselten.
Wortwörtlich kein kaltblütiger Killer
Dafür spricht auch, dass bereits auf jedem Kontinent außer der Antarktis Megalodon-Zähne gefunden wurden. Die Riesenhaie kamen also sowohl in tropischen als auch in kalten Gewässern vor. Möglich war das wahrscheinlich durch eine spezielle Anpassung ihrer Thermoregulation. Paläontologen gehen davon aus, dass der Megalodon ähnlich wie manche heutigen Haie oder Meeresschildkröten mesotherm war, also eine Mischung aus kalt- und warmblütig.
Meggie und ihre Artgenossen konnten ihre Körpertemperatur also durch Stoffwechselaktivität erhöhen, hielten diese aber nicht auf einem konstanten Niveau so wie wir Menschen. Das ermöglichte es ihnen, mit verschiedenen Wassertemperaturen klarzukommen, und machte sie außerdem agiler. Cooper und sein Team gehen davon aus, dass Meggie durchschnittlich mit einer Geschwindigkeit von 4,7 bis 5,1 Kilometern pro Stunde unterwegs war. Kurzzeitig konnte sie womöglich sogar auf 37 km/h beschleunigen.
Kalte Gewässer als Wachstumsbooster
Obwohl ein und derselbe Megalodon wahrscheinlich zwischen verschiedenen Gewässerzonen wechseln konnte, gab es auch regionale Varianten, wie Kenshu Shimada von der DePaul University in Chicago und seine Kollegen herausgefunden haben. Demnach waren die Hai-Populationen im hohen Norden in der Regel größer als jene in den 30 Grad warmen Tropenmeeren.
Der Grund: Ein großer Körper beeinflusst das Verhältnis von Masse zu Oberfläche dahingehend, dass ein Lebewesen insgesamt weniger Wärme verliert. Mit 18 bis 20 Metern Länge besonders groß zu sein, schützte die Riesenhaie in kalten Gefilden also vor dem Verlust von zu viel Energie und Wärme und ermöglichte ihnen damit das Überleben trotz Kälte.
Wieso war der Megalodon so riesig?
Aber selbst die Exemplare in den Tropen waren mit einer Körperlänge von 14 bis 15 Metern immer noch nicht gerade klein. Doch warum eigentlich? Meggie und ihre Artgenossen sind tatsächlich nicht die ersten Riesen in ihrer Familie. Begonnen hat alles vor 55 Millionen Jahren mit Ur-Ur-Opa Otodus obliquus, der bereits acht Meter erreichen konnte. Es folgten Ur-Opa Otodus auriculatus mit 9,50 Metern, Opa Otodus angustidens mit elf bis zwölf Metern und Papa Otodus chubutensi mit bis zu 13 Metern.
Der bisher unerreichten Größe des Otodus megalodon sind also viele Millionen Jahre der Evolution vorausgegangen. Warum ausgerechnet der Megalodon die 14 Meter-Marke knacken konnte, liegt wahrscheinlich vorrangig an zwei Faktoren, die sich gegenseitig bedingen. Eine wichtige Rolle spielte die bereits erwähnte Mesothermie, mit deren Hilfe die Urzeit-Haie schneller schwimmen, mehr Beute fangen, nördliche Gefilde erobern und aufgrund all dieser Begebenheiten schließlich größer werden konnten.
Die Mesothermie wiederum entwickelte sich wahrscheinlich nur wegen der Art, wie Megalodon-Mütter ihre Jungen austrugen. Da diese sich nämlich gegenseitig im Mutterleib auffraßen, musste ein Hai-Weibchen zwar wenige, dafür aber gigantische Embryonen versorgen. Die Mütter mussten also mehr fressen und dementsprechend mehr Beute jagen. Das wiederum ging nur mithilfe der Mesothermie – so die aktuelle Theorie der Paläontologen.