Wenn es um die beiden Marsmonde geht, stehen zwei große Fragen im Raum: Wie sind Phobos und Deimos entstanden? Und woraus bestehen sie? Insgesamt werden drei Theorien für die Entstehung der beiden kleinen Marsmonde diskutiert.
Sind es eingefangenen Asteroiden?
Die erste Theorie geht davon aus, dass die beiden Marsmonde ursprünglich Asteroiden waren, die von der Marsschwerkraft eingefangen wurden. Dafür spricht, dass Helligkeit und Farbspektrum beider Monde dem bestimmter Asteroiden ähneln: Phobos und Deimos sind sehr dunkel und reflektieren nur rund fünf Prozent des Sonnenlichts. Die Marsoberfläche strahlt dagegen viermal so viel Licht zurück – was eher gegen einen gemeinsamen Ursprung spricht. Außerdem sind die Marsmonde relativ rötlich, wasserarm und reich an kohlenstoffhaltigen und silikatischen Molekülen. Asteroiden mit ähnlichen Merkmalen finden sich im äußeren Asteroidengürtel.
Gegen dieses Modell spricht, dass beide Monde den Mars in Äquatornähe umkreisen und damit auch in der Hauptebene der Planeten. Für eingefangene Asteroiden ist dies eher selten, sie haben oft eine geneigte Umlaufbahn, wie beispielsweise der Saturnmond Phoebe. Zudem sind die Orbits von Phobos und Deimos fast kreisrund, während die meisten eingefangenen Monde im Sonnensystem auf exzentrischen, elliptischen Bahnen kreisen.
Oder Trümmer eines Einschlags?
Besser passen könnte daher die Trümmertheorie: Jüngere Untersuchungen legen nahe, dass die Monde Überreste eines großen Einschlags in der Frühzeit des Mars sind – möglicherweise der Impakt, der auch das ausgedehnte nördliche Tiefland des Planeten schuf. Der dafür verantwortliche Asteroid könnte bis zu 2.000 Kilometer groß gewesen sein und Billionen Tonnen heller Kruste und dunklen Mantels aus dem jungen Mars herausgeschlagen haben.
Diese Trümmer bildeten einen Ring um den Mars, aus dem sich die Monde Phobos und Deimos herauskondensierten. Vielleicht entstanden dabei sogar noch weitere Monde, die dem Mars allerdings später verloren gingen oder wieder auf ihm einschlugen. Diese Theorie würde die relativ niedrigen und kaum elliptischen Umlaufbahnen recht gut erklären. Allerdings nicht, warum Deimos‘ Orbit um knapp zwei Grad gegen den Marsäquator geneigt ist.
Ring und Monde im Wechsel?
Denkbar wäre auch eine Variante des Trümmer-Szenarios, wie ein Team um Matija Cuk vom SETI-Institute im Jahr 2020 berichtete. Ihren Modellen zufolge könnte es nach einem großen anfänglichen Einschlag mit dichtem Trümmerring einen ständigen Wechsel von Monden und Ringen gegeben haben. Dabei bildeten sich aus dem Außenbereich des ersten Marsrings ein großer innerer Mond und der kleine Deimos. Dieser wurde durch den Einfluss seines inneren Nachbarn nach außen und buchstäblich auf die schiefe Bahn gedrängt. Der innere Mond dagegen rückte nach einiger Zeit zu nahe an den Mars heran und wurde wieder zerrissen – ein neuer Ring entstand.
Dieser Zyklus von Ringbildung, Mondentstehung und Zerfall könnte sich in den letzten knapp vier Milliarden Jahren mehrfach wiederholt haben. Weil dabei immer ein Teil des Ringmaterials auf den Planeten stürzte, wurden Ring und Mond immer kleiner und masseärmer. Heute ist von dem einst großen inneren Marsmond nur noch der schmächtige Phobos übrig – er ist gewissermaßen das Enkelkind seines frühen Vorgängers.
Welches Szenario stimmt?
Das Problem jedoch: Welches dieser Szenarien zutrifft, lässt sich bisher nicht sagen – es fehlt schlicht an Daten. Zwar haben schon frühe Raumsonden wie die NASA-Sonde Maringer 9 und die beiden Viking-Marssonden erste Aufnahmen von Phobos und Deimos erstellt. Auch die heute um den Mars kreisenden Orbitersonden, darunter der Mars Reconnaissance Orbiter der NASA und die ESA-Sonde Mars Express haben Nahaufnahmen der Marsmonde geliefert. Aber die Bilder allein reichen nicht, um Alter und Zusammensetzung der beiden Monde genauer zu bestimmen.
Deshalb gab es schon mehrfach Pläne, Raumsonden gezielt zu den Marsmonden zu schicken: In den späten 1980er-Jahren startete die Sowjetunion die beiden Sonden Phobos 1 und 2, zu denen aber der Funkkontakt nach Übermittlung weniger Daten abbrach. Im Jahr 2011 folgte dann die Mission Phobos Grunt, die jedoch schon kurz nach dem Start verloren ging. Die beiden Marsmonde warten daher noch immer auf einen Besuch.