Oktober 2003: Im Wissenschaftsmagazin „Science“ erscheint eine Studie, die den Mythos vom Massenselbstmord der Lemminge zerstört und die wahren Gründe für das regelmäßige Zusammenbrechen ihrer Populationen enthüllt. Fazit: Natürliche Raubfeinde wie Schnee-Eule, Raubmöwe, Polarfuchs und insbesondere das Hermelin sind schuld am zyklischen Massensterben – zumindest bei den Halsbandlemmingen in Nord-Ost-Grönland. Dies haben 16 Jahre währende Beobachtungen und Untersuchungen der Forscher im Karupelv-Tal ergeben.

Eine ganz besondere Räuber-Beute–Beziehung
Die Zoologen um Benoît Sittler von der Universität Freiburg und Olivier Gilg sowie Professor Ilkka Hanski von der Universität Helsinki stellen in Science sogar ein ausführliches Ablaufprotokoll für die Vorgänge in dieser Räuber-Beute–Beziehung vor. Danach können sich, vereinfacht gesagt, die Lemminge in ihrem Lebensraum zunächst eine Weile ungehindert vermehren, weil die Zahl der natürlichen Feinde, auch Prädatoren genannt, niedrig ist. Ein Weibchen bringt dabei pro Jahr bis zu 90 Junge zur Welt.
Aufgrund des reichlichen Beuteangebotes wächst irgendwann jedoch auch die Zahl der Hermeline rapide an. Ist ein kritisches Räuber-Niveau erreicht, werden die Lemminge in rasantem Tempo dezimiert. Doch die Hermeline kommen nach Angaben der Forscher ebenfalls nicht ungeschoren davon. Denn schon bald gibt es kaum noch Beute für die vielen Raubtiere. Es folgt deshalb der Kollaps der Hermelin-Population und ein neuer Zyklus beginnt.
Puzzle um Lemming-Zyklen gelöst
Die Wissenschaftler fassen in der Studie ihre Ergebnisse folgendermaßen zusammen: „Obwohl diese Ergebnisse von einer arktischen Landschaft nicht ohne weiteres auf andere Regionen mit Nagerzyklen direkt übertragen werden können, ist zweifelsohne die Prädation die beste Erklärung für das seit Jahrzehnten anhaltende Puzzle der Lemming- und Wühlmauszyklen.“